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BUZe Blog


2009-05-27 15:32:57

Schäuble trifft im Audimax auf kritisches Publikum

von fabio

Der Innenminister lobt Braunschweiger Gesprächskultur trotz deutlicher Kritik aus den studentischen Reihen

*Für eine Audio-Version der Veranstaltung, siehe Seitenende*

Dieser letzte Kommentar des Innenministers könnte eigentlich so manchem zu denken geben. Trotz harscher Kommentare, mehreren Zwischenrufen und deutlicher Kritik an seiner Person, der CDU/CSU und der Regierung im Allgemeinen, bedankte sich der Innenminister nach seinem Vortrag  im Audimax der TU am Montag ausdrücklich für die „äußerst tolerante und disziplinierte“ Diskussionskultur an der Braunschweiger Universität. Das lässt darauf schließen, dass der Mann von anderen Veranstaltungen eher noch Schlimmeres gewohnt ist. Und wirklich: Seit dem Beginn der Kontroverse um die sogenannte Vorratsdatenspeicherung vor etwa zwei Jahren, ist der Innenminister wie kaum ein anderer zur propagandistischen Zielscheibe zahlreicher Bürgerrechtler und Netzaktivisten geworden. Auch gestern wieder zierte sein Konterfei unter dem Schlagwort „Stasi 2.0“ zusammen mit dem der Familienministerin „Zensursula“, T-Shirts der Piratenpartei und anderem Protest in Textilform die Reihen der Zuhörer. Daneben machten sich die ersten, für Presse, Anhänger und älteres Publikum freigehaltenen, Reihen des Braunschweiger Audimax, eher schmächtig aus.


Auf Moderator Carsten Müller machte dies dann auch scheinbaren Eindruck. Er bat um die Gewährung eines reibungslosen Diskussionsabends, den er anscheinend aufgrund der von ihm diagnostizierten „ungewöhnlichen Zusammensetzung des Publikums“ für eine CDU-Veranstaltung gefährdet sah. Auch Uwe Schäfer, Europakandidat der CDU aus Braunschweig, der einige wenige Worte zur Europawahl voranstellen durfte, reagierte nicht sehr souverän, als seine lobende Erwähnung der Bildungspolitik der Regierung schallendes Gelächter hervorrief. Ganz anders dagegen Schäuble. Dieser stellte gleich zu Beginn seiner Rede fest, dass er nichts Ungewöhnliches an der Zusammensetzung des Publikums fände. Der Minister, auf den sich schon im Oktober 1990 Zorn in Form eines Attentats entladen hatte, zeigte sich im Vergleich zum Provinzpolitiker Müller natürlich deutlich erfahrener im Umgang mit öffentlichen Kontroversen und Ablehnungsbekundungen seiner Person. Eher harmlos wirkten da die T-Shirts und die Ballons, die Bürgerrechtler am Nachmittag im Audimax hatten steigen lassen. An diesen hatten sie Tafeln mit Paragraphen des Grundgesetzes befestigt, die sie durch die Gesetze der großen Koalition bedroht sehen, wie die Unverletzlichkeit der Wohnung oder die Presse- und Meinungfreiheit.


In diese Richtung gingen dann auch einige der Fragen, die die Zuhörer an den Minister wandten. Doch dabei vermochte auch Schäuble nicht, die negative Stimmung zu seinen Gunsten zu wenden. Gleich zu Beginn seiner Rede musste er zurückrudern nach seiner Aussage, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, habe die Politik kürzlich von dem Vorwurf der Datensammelwut und Verfassungsbedrohung freigesprochen. Nach einem Zwischenruf aus dem Publikum erklärte Schäuble wenig überzeugend, dies habe Papier auf einem internen Treffen ihm gegenüber geäußert – an die Öffentlichkeit sei dies wohl noch nicht gedrungen. Bei weiteren Fragen zur Bedrohung von Bürgern – besonders Einwanderern – durch Polizeirepressionen, umfassenden Datensammlungen und der zunehmenden Darstellung von Muslimen als Gefährder, konnte der Innenminister wenig überzeugen. Er verwies stets auf seine Verantwortung, neuen Gefahren durch die Nutzung neuer Ermittlungsmethoden zuvorzukommen und seinen unbedingten Glauben an das Gute im deutschen Polizisten und Grenzbeamten, die, abgesehen von wenigen menschlichen Verfehlungen, niemals vorsätzlich einem Unschuldigen Schaden zufügen würden oder Asylbewerber im Abschiebeprozess gefährden würden. Überhaupt berief sich der Minister häufig darauf, „die Wahrheit nicht gepachtet zu haben“, noch im Entscheidungsprozess zu sein und die öffentliche Debatte zu suchen. An diesen Stellen war die Diskussionsveranstaltung wenig zielführend.

 

Besonders interessant wurde es dann, als die Frage nach der aktuellen Gesetzesinitiative für Netzsperren zur Eindämmung von Kinderpornographie im Internet gestellt wurde. Der von vielen Zuhörern offensichtlich herbeigesehnte Frage folgte ein tosender Applaus. Die Erklärungen dazu waren dünn. Der Minister berief sich auf seinen Status als „digital immigrant“, im Gegensatz zu den „digital natives“ und auf seine Kinder, die ihm die Dinge erklären würden. Dann berichtete er von seiner Tochter, die im fünften Stock wohne und kein Fahrrad besitze.

Dabei ist dies eines der Themen, das momentan im Internet am heißesten dieskutiert wird. In nur wenigen Wochen haben etwa 100.000 Menschen die Online-petition gegen das geplante Gesetz unterzeichnet. Die realitisfern wirkenden Reaktionen der CDU-Politiker auf dieses Volksbegehren wurden von der Zeit in dem Artikel „Wie man eine Generation verliert“ kommentiert. Der Minister redete stattdessen lieber umfassend über zu den Themen Migration und Islamkonferenzen.

Insgesamt behält der Abend einen schalen Nachgeschmack bei. Zwar ist es im Allgemeinen positiv zu beurteilen, wenn sich hochrangige Politiker zu öffentlichen Veranstaltungen einfinden und dort auch Kritik einstecken. Der unzureichende Wille Schäubles, zu elementarsten Vorgängen wie dem Zensurgesetz explizit Stellung zu nehmen oder sich von der breiten Ablehnung dieses und ähnlicher Vorhaben in seiner Gang beeindrucken zu lassen, lässt jedoch auf weitere Kontroversen in der Zukunft schließen. Zumal die Fortsetzung der großen Koalition nach den Parteitagen der letzten Wochen wahrscheinlicher denn je erscheint.

von Fabio Reinhardt

 


 

Der BUZe liegt die Veranstaltung in digitalisierter Form im Audio-Format vor.  Die Dateien sind freigegeben unter der Lizenz CC0.