Menu:

Kategorien


Internationales
BUZe kontrovers
Feuilleton
Studentische Initiativen
Im Gespräch mit...
Politik
Sonstiges
Aus den Fakultäten
Rezensionen
Regionales
Editoriale
Buschlinger ist sauer
Studentenleben
Der Nestbeschmutzer

BUZe Blog


2008-03-11 14:13:02

Matthias Deutschmanns "Reise nach Jerusalem"

von Johannes K.

„Ich kann das hier runterspielen und gleichzeitig an was anderes denken“ – Kabarett als selbstironische Kleinkunstdienstleistung


Thematisch bot Matthias Deutschmanns „Reise nach Jerusalem“ nichts allzu Überraschendes. Es waren die üblichen Dauerbrenner des politischen Kabaretts: ein paar Ökothemen, ein bißchen Medienkritik, ein etwas nostalgischer Rückblick auf die alten Zeiten, in denen Kabarett noch schwergewichtige (im wahrsten Sinne des Wortes) Feindbilder hatte, eine Prise aktuelle Politik um Hessenwahlkampf und Kanzlerinnenkeile und natürlich US-Außenpolitik. Letztere ist immer gut geeignet, um nach schwierigen Pointen schnell wieder Konsens herzustellen. Denn wenn's gegen Bush geht, lachen alle mit.

Wirklich bemerkenswert an dem Programm sind also nicht die Themen – auch nicht der Nahost-Schwerpunkt, auf den der doppeldeutige Titel hinweist – sondern der selbstironische und zuweilen publikumskritische Tonfall, in dem Deutschmann auf der Bühne gemütlich zu dezenter Cello-Begleitung plaudert. Bei der Schilderung seines Besuchs in einem Autohaus verrät Deutschmann seinen Zuschauern: „Wenn Kabarettisten Autos kaufen, müssen sie aufpassen: immer nur Mittelklasse! Es muss noch nach echter Arbeit aussehen.“ Deutschmann weiß ganz genau, wer in seinem Publikum sitzt und mit welchen politischen Einstellungen er rechnen kann. So manches Mal klingt die Selbstbeschreibung des Kabarettistendaseins etwas zynisch nach reiner Polit- und Gewissensdienstleistung. Gut, diesen moralischen Ablasshandel des Kabaretts hat schon Volker Pispers in seinem Programm „Bis neulich...“ angesprochen: „Das schlechte, linke Gewissen aus dem Fegefeuer springt, wenn das Geld in der Kleinkunstkasse klingt“. Aber Deutschmann ist konsequenter. Während Pispers diesen selbstkritischen Blick auf den Anfang seines Programms beschränkt, schimmert er bei Deutschmann immer wieder durch. Und so zitiert er am Ende seiner Autohausgeschichte den Verkäufer: „Ihre Branche ist ja so verlogen“, ohne dem etwas entgegenzusetzen. Angesichts der moralinsauren Predigten von Kabarettisten wie Hagen Rether und seinen Kollegen vom Scheibenwischer ist das durchaus erfrischend.


Cellist im Kampf gegen GEMA-Gebühren: "Selbst das Horst-Wessel-Lied ist geschützt. Wenn ich jetzt also hier in Braunschweig nach langer Pause mal wieder..."

Nachdem er sich versichert hat, dass natürlich alle Anwesenden viel auf ihr Umweltbewusstsein geben, bietet er dem Publikum, was es hören will. Also spricht er über Öko-Themen, kritisiert die Grünen wegen ihrer Bereitschaft zu beliebigen Koalitionen im „politischen Swingerklub“, um am Ende jedoch etwas linkisch anzumerken, dass so einige Umwelt-Apokalypsen ja bereits in Vergessenheit geraten seien: „Waldsterben, Borkenkäfer – haben sich nicht halten können im Verdrängungswettkampf der Öko-Katastrophen.“

Bei solchen Pointen können auch die Grünen im Publikum noch mitlachen. Heikler wird es hingegen bei Themen, über die es normalerweise wenig zu lachen gibt. Behutsam führt Deutschmann zum Kern seines Programms, schildert den Einsatz der Bundesmarine, die im Mittelmeer fröhlich „Wir lagen vor Madagaskar“ singe und nur gelegentlich durch einen Scheinangriff der israelischen Luftwaffe aus ihrem seligen Schlummer geweckt werde, um dann auf den Mittelpunkt seiner „Reise nach Jerusalem“ zu sprechen zu kommen. Hier allerdings wird der Versuch, keinen klaren Standpunkt vorzugeben – was Deutschmann ansonsten positiv von den üblichen Predigern auf der Kabarettbühne unterscheidet – etwas bedenklich. Unparteilichkeit ist kaum möglich beim Thema „Israel oder Palästina – ganz wie Sie das nennen wollen“. In Anbetracht der Tatsache, dass der auf der Basis eines UNO-Beschlusses gegründete Staat Israel bereits vor über 40 Jahren von Deutschland anerkannt wurde, wirkt diese begriffliche Beliebigkeit reichlich merkwürdig – und keinesfalls unparteiisch. Das gleiche gilt für seine Gegenüberstellung der ‚gezielten Tötungen’ palästinensischer Terroristen durch das israelische Militär mit dem Beschuss israelischer Städte durch Kassam-Rakaten. Ein solcher Vergleich zeugt weniger von Neutralität als vielmehr von einer gewissen Ignoranz gegenüber dem internationalen Recht, das hier ganz eindeutige Unterschiede feststellt. Das gezielte Ausschalten von Kombattanten ist eben nicht das gleiche wie der wahllose Angriff auf Zivilisten. Geradezu abstrus wird es, wenn Deutschmann darauf hinweist, dass die Juden ihren Tempel des Salomo „zufällig“ unter der Al Aksa-Moschee suchten. Das klingt arg nach arabischer Verschwörungstheorie.

In puncto Nahost-Konflikt schlägt Deutschmann leider doch in die gleiche Kerbe wie seine Kollegen. In guter alter linker Tradition steht bei den Konflikten dieser Welt der Bösewicht schon immer im Voraus fest: die USA, und schließlich seien ja auch die Taliban ein „Produkt der US-Außenpolitik der 80er-Jahre“. In dieser Weltsicht wiegen Dollars eben wesentlich schwerer als die fundamentalistische Ideologie, die Terroristen antreibt.

Immerhin, Deutschmann findet den Weg zurück aus den politischen Untiefen des Nahen Ostens, zurück nach Deutschland ins behagliche Mecklenburg-Vorpommern. Man könnte doch, so sein Vorschlag, jungen Palästinensern eine deutsche Aufenthaltsgenehmigung versprechen, wenn sie bereit seien, ihre Kalaschnikow gegen Geige, Bratsche oder Cello einzutauschen. Bach lernen, statt bomben. Nur sorge er sich um Schäubles Reaktion, wenn tausende Palästinenser mit schwarzen Geigenkoffern auf dem Frankfurter Flughafen landeten. Und gerade, als sich das Publikum wieder entspannen will, folgt eine kleine, etwas unkorrekte Spitze: „Schäuble, diese Apokalypse auf Rädern“. Die wenigen Anwesenden, die solche Witze über den behinderten Minister noch nicht gewöhnt sind, wissen kurz nicht, ob sie jetzt lachen dürfen, was Deutschmann sofort kommentiert: „Ich mag das, wenn nicht alle lachen können.“ Dies sind die Glanzlichter des Abends (nicht die politischen Themen), wenn der Kabarettist, sich und seine Rolle als Unterhalter eines eher gutbürgerlichen Publikums anspricht. „Da grummeln einige Herren in der ersten Reihe“, stellt er fest und gibt sich selbst sofort den Rat: „Wenn’s nicht mehr geht, schnell vulgär werden.“

Kabarett mit Körpereinsatz. Wer in der düsteren Brunsviga mit Blitz fotografierte, wurde aus dem lockeren und aufgeschlosssenen Publikum schnell angeraunzt, weil das "unglaublich störe".

Weitere Ratschläge erteilt er sich in der Figur eines dubiosen Politikerberaters mit schwarzer Sonnenbrille, der ihn verschwörerisch über sein Publikum informiert: im Durchschnitt Mitte 60 (Studenten suchte man in der Tat vergebens), bürgerlich, eher bieder, umweltbewusst, einige „versprengte Sozialdemokraten“. Darauf müsse er sich einstellen, diese Leute müsse er bedienen. Das klingt eher zynisch als ironisch – so als nähme Deutschmann den Rat seiner fiktiven Figur ernst. Immerhin musste er, der er mittlerweile in die Jahre komme, zu seinem Entsetzen feststellen, dass er bei Talkshows mittlerweile bei sich eine gewisse Sympathie für Herrn Westerwelle entdecke. Doch bevor diese Selbstreflexion und die Spiegelung des Publikums von der Bühne herab zu weit getrieben wird, schwenkt Deutschmann wieder zu leichteren Pointen um Nazis, RAF und Friedenskonzerte auf dem Tempelberg. Das Publikum lacht und ist erleichtert.

Und so endet der Kabarettabend – von Deutschmann treffend als „Scheinopposition“ bezeichnet –  wie so oft in der kathartischen Gewissheit, dass man sich kostengünstig das Gewissen sauberlachen durfte. Doch irgendwie bleibt diesmal das Gefühl zurück, von dem moralischen Reinigungsdienstleister da oben auf der Bühne dabei nicht ganz ernst genommen worden zu sein.