Titelthema (03/07): „Presse ist Krieg“ – BUZe wird überrollt
Als Janine K. die Bewegung im Augenwinkel bemerkt, ist es bereits zu spät: Sie kann dem Auto nicht mehr ausweichen. Kurz darauf liegt sie im Krankenhaus.
Janine K. ist bei der BUZe für die Akquise der Werbeanzeigen zuständig, über die sich das junge Blatt finanziert. „Mir war klar, dass es einen Konkurrenzkampf geben würde. Aber mit so etwas hätte ich nie gerechnet.“ Wie jeden Donnerstag war Janine mit dem Fahrrad unterwegs zu ihren Werbepartnern, um über Anzeigenpreise und -formate zu verhandeln. Sie hatte es eilig, denn in einer halben Stunde wollte sie der Redaktion das Finanzierungskonzept der nächsten Ausgabe vorlegen. Beim Treffen sollte sie nie ankommen. Eine schwarze Limousine mit getönten Scheiben überfuhr Janine K. am 14. Juni 2007. Wie durch ein Wunder wurde sie nur leicht verletzt. Ein Unfall?
Den Redakteuren der BUZe drängt sich die Frage auf: Wer profitiert davon? Wem ist daran gelegen, das finanzielle Fundament, auf dem das innovative Informationsmagazin steht, zu zerstören? Und warum stand denn wohl über den Vorfall nichts in der Zeitung?
Immerhin ist der lokale Monopolist durch die neue Konkurrenz von der Uni mächtig unter Druck geraten: Schwindender Umsatz, sinkende Auflage, Abonnenten, die in Massen zum dynamischen Widersacher überlaufen.
Mit mafiösen Methoden in den Medien kennen die Blogger von der Seite wider-die-systempresse.de sich aus. „Presse ist Krieg“, schreibt quietschFidel_86, bekannter Autor einschlägiger Aufsätze wie „Globalisierung macht Welt kaputt“, „Man muß doch auch nicht jeden Scheiß senden – moderne Medienpolitik in Venezuela“ oder „Toleranz üben! – Polygamie und Kinderehe als Ausdruck kultureller Vielfalt“, und er fährt fort: „Unabhängige Journalisten gelten in Braunschweig als vogelfrei“. Das mussten auch die Redakteure der BUZe schmerzhaft feststellen: Vor über einem Jahr schrieb Ramona B. noch für eine hiesige Zeitung. Seit ihrem Wechsel zum gefürchteten Konkurrenten aus der Pockelsstraße wartet sie auf ihr Honorar – vergebens. Auch dies ein Angriff auf die finanzielle Grundlage der BUZe. Nachdem Marc C. erstmals Artikel für die BUZe schrieb, bekam auch er den Konkurrenzdruck zu spüren: Überschriften wurden verändert, ganze Texte umgeschrieben. Marc C. ist nervlich am Ende, seine Karriere stagniert. Seit Wochen hat er nichts mehr zu Papier gebracht.
Als Folko D. eines Abends von der Uni nach Hause kam, wollte er seinen Augen nicht trauen. In seinem Postkasten lag ein Brief vom „Leserservice“ des Noch-Marktführers. Ob er an einem Studentenabo interessiert sei? Folko D. begriff das scheinbar harmlose Schreiben sofort als das, was es war: ein Warnschuss. Es war direkt an ihn adressiert. Die Botschaft ist eindeutig: „Wir wissen, wo du wohnst.“ Seitdem sieht er beim Arbeiten immer wieder gehetzt aus dem Fenster. Seit Tagen steht ein schwarzer Lieferwagen auf der anderen Straßenseite – mit Braunschweiger Kennzeichen…
„Braunschweig ist ein heißes Pflaster“, sagt quietschFidel_86. „Die TAZ versucht daher, die Region zu meiden. Wenn es nicht anders geht – wie bei den Debatten um die Schlossarkaden und um Hartmut El Kurdi –, schicken die ausschließlich Mitarbeiter mit Nahkampfausbildung“. Andere Medien, etwa die Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung oder der Mecklenburger Nordkurier verzichten gar komplett auf die Entsendung von Korrespondenten in die „Löwenstadt“ – auch so eine Abschreckungsvokabel aus der Giftküche des hiesigen Platzhirsches.
Der Ausmaße des Feldzuges gegen die BUZe wurden sich die Redakteure erst allmählich bewusst. Als sich auf die Suche nach Praktikanten niemand meldete, wurde Fabio R. misstrauisch und stellte erneut die Frage: Cui bono? Wer profitiert davon? Als er bei wochenlangen Observationen der Hauptpost immer wieder Vertreter der regionalen Presse das Gebäude betreten sah, lag die Erklärung für das Ausbleiben von Bewerbungen auf der Hand: Die Post gehört dazu. Auch die farbliche Übereinstimmung der beiden Konzerne scheint wohl nicht ganz so „zufällig“, wie Vertreter beider Unternehmen nicht müde werden zu beteuern. In den letzten Monaten sind vermutlich Duzende DIN-A4-Umschläge, die an die BUZe adressiert waren, „verloren gegangen".
„Es mag paranoid klingen“, erklärt Fabio R. und blickt sich verstohlen um, „aber die haben überall ihre Finger drin“. Tatsächlich haben seine Recherchen Beachtliches zutage gebracht: Der Konzern hat Kontakte in der ganze Welt. Selbst in den USA hat man einen „Korrespondenten“ auf der Gehaltsliste. Und da ist noch etwas. Fabio R. reißt den Wasserhahn auf und flüstert leise: „Nach den Anschlägen vom 11. September stieg die Auflage der Lokalpresse sprunghaft an. Und nun raten sie mal, wie viele Mitarbeiter des Konzerns bei den Anschlägen ums Leben kamen.“
knallhart recherchiert von:
Johannes Kaufmann