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Kategorie Internationales
Ausgabe SoSe07 - 5
Autor Simone Jörn

Im Land der Morgenstille - Auslandsstudium in Südkorea

Florian Dittmer studiert Wirtschaftinformatik im Hauptstudium an der TU Brauschweig. Seit August letzten Jahres hat es ihn in exotischere Gefilde verschlagen: Im Rahmen eines Austauschabkommens mit der Yonsei Universität in Seoul verbringt Florian ein einjähriges Auslandsstudium in Südkorea. BUZe traf sich kurz vor Weihnachten mit ihm, um über seine Erfahrungen in diesem ostasiatischem Land zu sprechen und mehr über seine Beweggründe für diesen Aufenthalt zu erfahren.


BUZe: Wie bist Du darauf gekommen, ein Auslandsstudium in Südkorea zu absolvieren?

Es geht mir vor allem um die Sprache. Das muss ich vielleicht erstmal erklären: Am Anfang stand eine neunwöchige Reise durch das Land im Jahr 2004. Dabei habe ich sehr viele Eindrücke gesammelt. Die Menschen waren sehr freundlich und hilfsbereit. Damals konnte ich kein Wort koreanisch. Aber ich hab’s trotzdem geschafft, so gut wie alle Sehenswürdigkeiten und auch die wichtigsten Regionen des Landes zu besuchen. 2005 kehrte ich dann für ein längeres Praktikum zurück nach Südkorea. Es ist ein sehr interessantes Land, vor allem wenn man sich für den Bereich Internettechnologie interessiert, welche hier zur Zeit boomt. In Zukunft möchte ich auf jeden Fall weiter mit Korea zu tun haben. Ob nun von Deutschland aus, in einer koreanischen Firma oder wieder im Land selbst, das steht noch offen. Da es in Deutschland allerdings kaum Sprachkurse gibt und die Yonsei Universität den besten Ruf in punkto Sprachkurse besitzt, lag es für mich nahe, die Chance eines Auslandsstudiums zu nutzen.


BUZe: Wie ist dein Eindruck von der Yonsei Universität?

Die Yonsei Universität ist die älteste (Privat-)Universität in Südkorea. Sie gehört zu den Top 3 der Universitäten Südkoreas. Dementsprechend sind die Studiengebühren hier sehr hoch, etwa 4000 US-Dollar pro Semester. Zwischen der TU Braunschweig und der Yonsei Universität gibt es jedoch ein bilaterales Austauschprogramm. Daher entfallen die Studiengebühren für mich. Die Betreuung gerade für ausländische Studierende ist einfach top. Wenn ich mich in die Lage eines Austauschstudenten versetze, der das erste Mal nach Korea kommt und im Vorhinein nicht wirklich viele Informationen sammeln konnte, dann würde ich keine Angst haben. Hier ist alles perfekt organisiert. Es gibt sehr ausführliche Einführungsveranstaltungen: Zur Kurswahl (das läuft hier alles über ein Online-Portal), zum Ablauf des Studiums und des Semesters. Natürlich gibt es auch eine Campus-Tour und eine Einführung in das Bibliothekssystem etc..


BUZe: Wie läuft der Bewerbungsprozess ab?

Im Prinzip kann ich nur raten, sich erstmal Informationen auf der Homepage des International Office zu besorgen und dort anschließend ein Beratungsgespräch zu vereinbaren. Da ich im letzten Jahr der einzige Bewerber für dieses neu-(wieder-)eingerichtete Austauschprogramm war, kann ich nicht abschätzen, welche Kriterien die größte Rolle im Auswahlprozess spielen, wenn es einen größeren Bewerberpool gibt. Ich hatte keine großartige Konkurrenz, weil andere Interessenten wieder abgesprungen sind. An Unterlagen wurde das Übliche verlangt: ein englisches Transkript über besuchte Lehrveranstaltungen und abgelegte Prüfungen an der TU, ein Motivationsschreiben, ein Lebenslauf und ein Empfehlungsschreiben eines Hochschullehrers / einer Hochschullehrerin. Da das ein- bis zweisemestrige Austauschprogramm meine Wissens von der TU aus nur zum Wintersemester hin möglich ist, sollte man sich frühzeitig im International Office melden. Hier in Südkorea beginnt das Wintersemester übrigens Anfang September.


BUZe: Welche Koreanischkenntnisse sind nötig, um ein Auslandsstudium an der Yonsei absolvieren zu können?

Prinzipiell wird nicht davon ausgegangen, dass Austauschstudenten Koreanisch sprechen. In allen Informationsbroschüren werden beispielweise nur englischsprachige Kurse aufgeführt. In der Regel wählen auch alle Austauschstudenten diese Kurse. Man muss auch keinen Sprachkurs machen, aber es ist möglich, und das finde ich auch ratsam.


BUZe: Was für Kurse kann man an der Yonsei-Universität belegen?

Wie gesagt, es gibt an der Yonsei sehr viele Kurse in englischer Sprache. Aus diesem Angebot kann man frei wählen. Als Austauschstudent sowieso, man ist in keinem speziellen Programm. Man wählt einfach anhand der Kursliste aus. Was da eher zählt, ist ob man im graduate- oder undergraduate-Bereich studieren darf. Sofern man in Braunschweig im Hauptstudium ist, ist es kein Problem graduate Kurse zu belegen. Das gibt man bei der Bewerbung gleich mit an. Das wird auch vom International Office in Braunschweig empfohlen. Das Studiensystem ist hier ähnlich wie in den USA: Das Grundstudium geht über vier Jahre, und die meisten Studenten machen nur den Bachelorabschluss. Bleibt dann noch Zeit und Geld, kann man noch zwei Jahre auf den Master hin weiterstudieren. Es gibt Studiengebühren, und die sind je nach Uni auch sehr hoch.


BUZe: Welche Unterbringungsmöglichkeiten bestehen für Austauschstudenten?

Für das universitäre Wohnheim, das international dormitory, sollte man sich rechtzeitig bewerben. Ich weiß nicht, ob man das direkt über die TU machen kann. Wenn nicht, sollte man sich direkt an der Yonsei hierfür bewerben, aber eben rechtzeitig, denn die Plätze sind schnell besetzt. Das ist vergleichsweise günstig. Allerdings teilt man sich ein Doppelzimmer. Was man aber sagen muss: Es ist ein reines 'Ausländer-Wohnheim', und dadurch läuft man Gefahr, keinen Kontakt zu Koreanern zu bekommen. Da muss natürlich jeder selbst entscheiden, was er will.

Auch das Wohnen in so genannten Hasuk-Jibs ist weit verbreitet. Das ist eine Art privates Wohnheim. Du hast dort ein eigenes Zimmer, teilst aber das Bad mit den anderen Bewohnern. Man bekommt von der 'Hausmutter' meist ein bis zwei Mahlzeiten pro Tag. Das kostet komplett so 300-400 Euro im Monat. Theoretisch bestünde natürlich auch die Möglichkeit einer eigenen Wohnung, aber ohne Koreanischkenntnisse ist es im Alleingang fast unmöglich, eine Wohnung zu mieten. Ich rate dann doch eher dazu, die Kontakte der Uni zu nutzen.


BUZe: Wie finanzierst Du deinen Aufenthalt?

Ich finanziere ihn selbst. In Deutschland hab ich länger gearbeitet und gespart. Es gäbe natürlich auch die Möglichkeit, AuslandsbaföG zu beantragen oder sich für ein DAAD-Stipendium zu bewerben. Das habe ich aus verschiedenen Gründen allerdings nicht getan. Man muss dazu sagen: Südkorea ist kein armes und vor allem auch kein billiges Land. Es ist bedeutend teurer, in Seoul zu leben als in Braunschweig. Im Supermarkt sind beispielsweise Produkte wie Käse und Milch um einiges teurer. Auf der anderen Seite ist es hier vergleichsweise günstig, Essen zu gehen. Koreaner gehen sehr oft auswärts Essen.


BUZe: Wie fühlt man sich als deutscher Austauschstudent in Südkorea?

Am Anfang wird man hier eigentlich immer als US-Amerikaner identifiziert. Aber sobald auch nur ganz nebenbei fällt, dass man aus Deutschland kommt, kann es schon vorkommen, dass dein Gegenüber ein wenig freundlicher und interessierter wird. Denn das Deutschlandbild hier ist sehr positiv. Es kommen ja auch viele Koreaner zum Studium nach Deutschland. Dabei ist Musik wahrscheinlich das häufigste Studienfach. Deutschland hat hier so eine Art Vorbildfunktion. Die Koreaner wissen, dass auch unser Land geteilt war und sehen dadurch eine Verbindung zu ihrem Land. Es ist also überhaupt nicht schwer, Kontakte zu knüpfen. Die jüngeren Koreaner lernen sehr fleißig englisch, und wenn sie erstmal ihre Schüchternheit überwinden, geht es ziemlich gut. Praktischerweise hat die Yonsei Universität zudem eine global lounge eingerichtet, einen Aufenthaltsraum, wo man relativ unkompliziert und in fantastischer Atmosphäre mit anderen Studenten in Kontakt kommen kann. Ich habe auch dadurch schon Kontakte zu koreanischen Studenten aufbauen können.


BUZe: Wie hast Du die Situation nach den Atombombendrohungen Nordkoreas im vergangenen September und Oktober in Seoul erlebt?

Südkorea lebt ja quasi schon seit 50 Jahren mit dieser potentiellen Bedrohung durch Nordkorea. Ob das jetzt eine Atombombe oder ein 'herkömmlicher' Angriff ist. Es gibt keinen Friedensvertrag, sondern nur ein Waffenstillstandsabkommen. Also befinden wir uns formal gesehen im Kriegszustand. Doch die Leute scheinen daran gewöhnt zu sein. Die jüngere Generation zumindest scheint sich da keine Gedanken zu machen. Zwar gab es schon verschiedene Proteste, und es stand sehr viel zum Thema in den Zeitungen. Aber es war nicht so, dass man morgens in die Uni kam und das jetzt das ultimative Gesprächsthema gewesen wäre. Vielleicht war das eher unter den ausländischen Studenten selbst der Fall. Und jetzt, mehrere Wochen nach dem Zwischenfall, scheint das Thema schon wieder ganz abgeklungen zu sein. Ich selbst habe mich nie bedroht gefühlt. Ich weiß ja selber, dass es hier schon seit Jahrzehnten so ein Hin- und Her gibt, ein Katz-und-Maus-Spiel. Von daher gehe ich nicht davon aus, dass hier etwas passieren wird…


BUZe: Welche Dinge im Alltag überraschen dich am meisten?

Ein Unterschied ist der Umgang mit Freunden. In Deutschland lädt man seine Freunde ja auch gerne zu sich Nachhause ein. Das macht man in Korea in aller Regel nicht. Man trifft sich eigentlich nur in der Uni, in Restaurants oder Coffeeshops. Dann allerdings sind die Koreaner, ob nun Studenten oder Geschäftsleute, für jeden Spaß zu haben. Ein typischer Abend hat in der Regel nicht weniger als drei Stationen: Zunächst geht es in ein Restaurant zum Abendessen, anschließend in eine Kneipe, und zu guter Letzt findet man sich meist in einem der vielen Karaoke-Räume wieder. Übrigens, das koreanische Essen sieht zwar manchmal etwas gewöhnungsbedürftig aus, ist aber abwechselungsreich und sehr lecker.


BUZe: Du bist schon während deiner vorherigen Koreaufenthalte im Land herumgereist. Was sind deine drei Highlights in Südkorea?

1) Eine Reise in die Hafenstadt Busan im Südosten des Landes. Neben dem bekannten Beomeosa-Tempel und einigen tollen Stränden kann man von Busan aus mit dem Schnellboot innerhalb von drei Stunden die Stadt Fukuoka in Japan erreichen und sich so auch ein Bild vom Nachbarland machen.

2) Die Stadt Gyeongju mit ihren vielen Sehenswürdigkeiten aus der Shilla-Dynastie gleicht einem Freilichtmuseum und ist auch unter Koreanern ein beliebtes Reiseziel: Tempel, Gräber, die Seokguram-Grotte mit ihrer beeindruckenden Buddha-Statue und mehr.

3) Seouls Satellitenstadt Suwon mit ihrer historischen Stadtbefestigung und Nähe zum koreanischen Volkskundedorf (eine Art Freilichtmuseum).


BUZe: Fühlst Du dich in Südkorea akzeptiert?

Das kommt drauf an. Ich habe den Eindruck, dass viele gegenüber Ausländern erstmal skeptisch sind. Doch ich denke, dass ist in Deutschland genauso. Dort haben ausländische Studenten ähnliche Probleme wie wir hier. Bei Austauschstudenten, die ja nur begrenzt in Südkorea bleiben, fragen sich die Leute sicher, ob es sich überhaupt 'lohnt', eine Freundschaft aufzubauen. Aber wenn man jemanden richtig kennengelernt und sein Vertrauen gewonnen hat, dann ergeben sich auch echte Freundschaften. Und das größte Kompliment, was einem dann gemacht werden kann, ist gesagt zu bekommen: „Du bist schon fast wie ein Koreaner!“ Das habe ich auch schon einige Mal gehört, und darüber habe ich mich sehr gefreut.


BUZe: Ein schönes Schlusswort! Wir danken dir für dieses Gespräch und wünschen noch weitere einprägsame Erfahrungen in Südkorea.


 

Das Interview wurde geführt von Simone Jörn.