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Kategorie BUZe kontrovers
Ausgabe SoSe06 - 2
Autor Johannes Kaufmann

Kein Sprachrohr für den Hetzer

Zweifellos hatte das meistgelesene Nachrichtenmagazin in Deutschland kaum Probleme mit dem Verkauf der 22. Ausgabe des Jahres 2006. „Der Mann, vor dem die Welt sich fürchtet“, titelte der SPIEGEL reißerisch und bediente damit das Bedürfnis der Leserschaft nach Skandalen und Kriegsthemen. Denn Krieg verkauft sich immer gut: Während des Irakkrieges stiegen die Verkaufszahlen der amerikanischen Tageszeitungen um durchschnittlich 15% (aus: A. Höhne, S. Russ-Mohl: Zur Ökonomie und Ethik der Kriegsberichterstattung. Zeitschrift für Kommunikationsökonomie, 1 (2004) S. 11-18), unabhängig davon, ob die Berichterstattung nun kritisch war oder nicht.

Mit Pressefreiheit gegen die Demokratie

Dass letztlich handfeste ökonomische Motive hinter dem Interview mit Irans Staatspräsident Ahmadinedschad standen, lässt sich kaum bezweifeln, selbst wenn die angeblich aufklärerische Absicht der verantwortlichen Redakteure von der eigenen Zeitschrift in den Vordergrund gestellt wird. Doch genauso wie die aufklärerische Wirkung von (Anti-)Kriegsfilmen auf das Gesamtpublikum durchaus bezweifelt werden kann – eindrucksvoll verdeutlicht in dem erst kürzlich in den Kinos gezeigten Film Jahrhead, in dem sich die amerikanischen G.I.s mit Apocalypse Now für ihren Einsatz im Irak in Stimmung bringen – stellt sich auch hier die Frage, ob man mit der Veröffentlichung der Hetzreden eines notorischen Holocaustleugners nicht mehr Schaden anrichtet als dass man aufklärt. Ahmadinedschad jedenfalls hat das Angebot, seine Ansichten in einem renommierten Magazin verbreiten zu dürfen, dankend angenommen. Und wenn er den hilflosen SPIEGEL-Redakteuren rotzfrech versichert, sie müssten sich keine Sorgen machen, denn in seinem Land könne man seine Meinung frei äußern, trieft der Spott, mit dem er die Pressefreiheit der Demokratie bedenkt, die ihm die Verbreitung seiner Hetzreden ermöglicht, aus jedem Wort.

Ahmadinedschad weiß ganz genau, was für ein riesiges Publikum er mit diesem Interview erreicht, und so faselt er von der Ungerechtigkeit, die dem deutschen Volk und insbesondere den unschuldigen Nachkriegsgenerationen durch den angeblichen Holocaust angetan würde, ohne von den SPIEGEL-Redakteuren in die Schranken gewiesen zu werden. Seine Ausführungen mögen beim kritischen Leser höchstens ein Schmunzeln über die Plumpheit der Anbiederungsversuche ausgelöst haben, doch wäre es sehr optimistisch, anzunehmen, dass seine Platitüden nicht auch Beifallsbekundungen hervorrufen.

Applaus von rechts

Jener Beifall folgt dann auch prompt aus den Reihen der NPD, die in einem Anflug von Solidaritätsempfinden plötzlich jegliche Vorurteile zum Thema ‚Turbanträger‘ über Bord wirft und nicht nur zur Unterstützung der (keineswegs begeisterten) iranischen Nationalmannschaft bei der Fußball-WM aufruft, sondern ihr „Bayernfest“ in Regensburg sogar unter iranischer Flagge feiert, denn „nichts auf dieser Welt verbindet so stark wie gemeinsame Abneigung gegen einen Dritten“ – wie René Clair einmal treffend formulierte. Und da man sich mit Antisemitismus auf diese Weise leider noch immer (auch in Deutschland) viele Freunde machen kann, salbadert der iranische Präsident weiter ungestraft im auflagenstärksten Nachrichtenmagazin Deutschlands über zionistische Weltverschwörungen und „Wiederholung des Holocaust“ in Palästina.

Am Ende hat Ahmadinedschad über ein renommiertes Medium in Deutschland ein Millionenpublikum erreicht, dem er nicht nur ins Gesicht lügen durfte, dass sein Land die „beste Zusammenarbeit mit der IAEA“ (der Internationalen Atomenergiebehörde) hatte und zu Unrecht international an den Pranger gestellt werde, sondern auch, dass allein die Juden und die Amerikaner Schuld an der Krisenlage im Nahen Osten hätten, der Holocaust ein Ereignis sei, über dessen historische Faktizität man verschiedener Ansicht sein könne und dass die Palästinenser heute für dieses ‚zweifelhafte‘ Ereignis bestraft würden. Abschließend darf er auch noch ein bisschen mit den Ketten rasseln und Drohungen gen Westen spucken. Der SPIEGEL erhält dafür ein Titelthema, das den Verkauf der Auflage sichert und dabei niemandem schadet.

"Irgendwie hat er ja recht"

Doch ist das wirklich so? Spätestens wenn man – wie ich – in einem Hauptseminar von der aufmerksam lesenden und weniger aufmerksam zuhörenden Studentin neben sich den Kommentar hören muss, das, was der Mann da sage, entbehre ja nicht einer gewissen Logik und sei durchaus nachzuvollziehen, stellt sich die Frage nach der Verantwortung der Medien. Natürlich gibt es die Pressefreiheit in diesem Land. Doch muss man einem Hetzer wie Ahmadinedschad wirklich die Möglichkeit bieten, seinen verfassungswidrigen Meinungsdurchfall in Millionenstärke unters Volk zu bringen? Es gibt Situationen, in denen die Verantwortung eines Redakteurs als Staatsbürger schwerer wiegen sollte als die Verlockung lukrativer Exklusivrechte.