Neue Männer braucht das Land - Warum auch Eva Herman manchmal ein Korn findet
Doch ist die Rückbesinnung auf die traditionelle Frauen- und Mutterrolle wirklich die logische Konsequenz aus dieser Erkenntnis? Wollte man diese Frage mit einem überzeugenden Ja beantworten, müsste die Voraussetzung dafür sein, dass es den Frauen früher tatsächlich besser ging. Und das kann man sicher nicht mit Scheidungsstatistiken belegen. Solche Statistiken sagen nämlich nichts über die Lebenswirklichkeit innerhalb einer Ehe aus; sie zeigen lediglich, dass es in Zeiten unmündiger und erwerbsloser Frauen weniger Scheidungen gab. Was wenig verwunderlich ist, wenn man die – nicht nur finanzielle – Abhängigkeit vom Ehepartner bedenkt.
Frauen seien überfordert, sagt Frau Herman. So weit, so schlecht, aber sollen Frauen deshalb ihre Ansprüche senken? Was in all den Diskussionen, die zur Zeit in den Medien zu verfolgen sind, ignoriert wird, ist die Tatsache, dass eine Neudefinition der Frauenrolle nicht einfach spurlos an der anderen Hälfte der Bevölkerung vorübergehen kann. Frauen und Männer leben nicht in zwei voneinander getrennten Gesellschaften, sie gemeinsam bilden eine einzige Gesellschaft, und der Wandel des Selbstverständnisses der einen Seite kann nicht ohne Anpassung der anderen Seite erfolgen.
Was also diese Gesellschaft braucht, ist weder ein Rückschritt der Frau ins 19. Jahrhundert, noch der Sturmlauf voran durch einen neuen Feminismus. Was diese Gesellschaft benötigt, sind Männer, die zu ihren Frauen ins 21. Jahrhundert aufschließen. Natürlich bedeuten Familie und Beruf doppelte Belastung. Nur löst man dieses Problem nicht, indem man die Hälfte dieser Belastung in der Kiste der kulturellen Irrtümer einmottet, sondern indem man sie gleichmäßig verteilt. Es gibt nun einmal kein Gesetz, nicht einmal ein biologisches, auch wenn Frau Herman das anscheinend anders sieht, das dem Mann ein Vorrecht auf Arbeit gewährt. Arbeit muss sein, um das finanzielle Auskommen zu sichern; so viel steht fest. Kinder sind eine gemeinschaftliche Entscheidung innerhalb einer Beziehung, eine Entscheidung, an der beide Partner gleichermaßen teilhaben und für die entsprechend auch beide die Verantwortung tragen. Erziehung und Versorgung gestalten das Arbeitspensum, das das Funktionieren einer Familie erfordert. Wirkliche Gleichberechtigung bedeutet, dass keiner der Partner von vornherein ein Anrecht darauf hat, einen dieser Teile allein für sich zu beanspruchen. Natürlich kann sich das einzelne Paar dafür entscheiden, je einem Partner einen der Bereiche zuzuordnen, letztendlich müssen Erziehung und Arbeit aber gemeinschaftlich organisiert werden, wenn wirkliche Gleichberechtigung gewährleistet werden soll. Um eine solche gerechte Verteilung aller Aufgaben möglich zu machen, bedarf es nicht nur unterstützender Einrichtungen wie einer ausreichenden Versorgung mit Krippen- und Kindergartenplätzen, sondern auch Arbeitsvermittlern und Arbeitgebern, die nicht in hysterisches Gelächter ausbrechen, wenn ein Mann sie nach einer Teilzeitanstellung oder Vaterschafftsurlaub fragt.
Den Weg in eine glücklichere, weil chancengleiche Gesellschaft, erreichen wir dadurch, dass Männer bereit sind, einen Teil der traditionell weiblichen Aufgaben zu übernehmen. Damit dies wiederum nicht zur einer einseitigen Mehrbelastung der Männer führt, müssen diese eben bereit sein, auch einen Teil ihrer traditionellen Aufgaben abzugeben. Das führt letztendlich weg von der Einteilung der Partnerschaft in Ernährer auf der einen und Erzieherin auf der anderen Seite, hinein in eine gleichberechtigte Verbindung, in der beide beides sind: Ernährer und Erzieher.