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Der Nestbeschmutzer
Kategorie Der Nestbeschmutzer
Ausgabe WS0607 - 3
Autor Axel Klingenberg

Der Nestbeschmutzer III - Und nun: Das Wetter

Gerne würde ich glauben, dass wir Menschen uns am liebsten über Kultur, Politik und Philosophie austauschen, über die ganz hehren Themen also. Das tun wir natürlich nicht – sobald wir uns sehen, fangen wir an, über Leute, die gar nicht da sind, zu tratschen. Als Gesprächseinstieg plaudern wir jedoch immer zuerst übers Wetter.

Mal ist es zu heiß, mal ist es zu kalt, manchmal aber auch „ganz angenehm, so könnte es bleiben“. Tut es aber nicht, denn schon am nächsten Tag stürmt es wieder, hagelt, gießt, schüttet es oder die Sonne lässt das Korn auf den Feldern verdorren. Arme Bauern, arme Brotkäufer.

Dass wir uns im wesentlichen über Belanglosigkeiten austauschen, hat einen guten Grund. Sagen zumindest Wissenschaftler – und die müssen es wissen, sie werden ja dafür bezahlt. Bis dann ein anderer Geldgeber kommt und was anderes hören möchte, dann lässt sich auch das ganz sicher „empirisch nachweisen und intersubjektiv überprüfbar“ machen.

Aber momentan behaupten zumindest einige Wissenschaftler, dass unser Wettergeplauder damit zusammenhängt, dass Klatsch und Tratsch den Zusammenhalt fördern. Unsere nahen Verwandten, die Affen, lausen sich zu diesem Zwecke. Da wir Menschen jedoch größere Populationen bildeten – einige Exemplare dachten sogar schon früh daran, eines Tages Weltstädte zu bauen – hätte ein gegenseitiges Lausen zu einem Kuddelmuddel gigantisches Ausmaßes geführt. Deshalb fingen wir an zu sprechen. So kann man gleichzeitig mit mehreren Menschen lausen. Wie praktisch.

Die Gesprächsthemen waren jedoch damals nur sehr begrenzt, denn „das Sein“ begann erst noch „zu seinen“, wie es Heidegger, die alte Rakete, einmal scherzhaft formulierte.

Also plauderten wir übers Wetter. Hatte ja auch eine gewisse Berechtigung, wenn man in schäbigen Hütten oder zugigen Höhlen wohnt.

Heutzutage ist das Wetter immer noch wichtig, man will ja wissen, ob man am Wochenende baden, surfen oder sich die Haut verbrennen lassen kann. Kann man nicht mehr so oft wie früher, behaupte ich und frage mit Rudi Carrell: „Wann wird es endlich wieder richtig Sommer?“ Gar nicht mehr, antworte ich mir, denn der Sommer unterteilt sich immer mehr in eine Dürreperiode und in die Regenzeit. Das ist gewiss kein Sommer, „wie es früher einmal war“. Schuld daran ist die Klimakatastrophe bzw. der Klimawandel (wie manche Wissenschaftler es vorsichtiger formulieren möchten).

Und wer ist schuld an dem massiven Anstieg der Welttemperaturen? Na, druckst jetzt nicht so herum – das ist doch bekannt!

Genau: der Reisanbau in China. Habe ich mal gelesen, denn Wissenschaftler (aber sicher keine chinesischen) wollen herausgefunden haben, dass dabei eine unglaubliche Menge an Treibhausgasen entsteht. Andere Wissenschaftler (aber sicher keine holländischen) machen übrigens die pupsenden Kühe in den Niederlanden dafür verantwortlich.

Bedeutender dürfte jedoch die stete Zunahme des Automobil- und Flugverkehrs sein.

„Das ist ja alles gar nicht bewiesen!“ höre ich da wen maulen.

„Verleumdung!“ brüllt ein anderer.

Und „Jobkiller!“ höre ich da jemanden leise, mit messerwetzenden Geräuschen unterlegt, raunen.

„Der Forschungsflughafen muss ausgebaut werden, das schafft Arbeitsplätze“, mischt sich nun ein freundlich aussehender Mensch (Beruf: Pressesprecher) ein. Währenddessen skandiert der Chor der Claqueure rhythmisch:

„Startbahnverlängerung jetzt! Ausbau des Flughafens Braunschweig-Wolfsburg ist total toll! Weg mit dem Querumer Forst! Bäume gab es lange genug! Uh, uh, uh!“ Ich aber antworte ihnen: „Interessiert mich nicht, will ich nicht. Wenn ich in den Urlaub will, fahre ich mit dem Zug. Das könnt Ihr auch machen. Ihr Weicheier!“ Die Braunschweiger Startbahnverlängerungsverhinderungsanhänger drucksen ja auch immer so herum: „Is’ ja gar nicht nötig, forschen kann man auch mit Computer und so.“ In ein Flugzeug, dessen Flugeigenschaften mit Computer und so erforscht worden sind und nicht in der fliegenden Praxis, würde ich persönlich allerdings prinzipiell nicht einsteigen. Aber das mag aber jeder für sich selbst entscheiden. In diesem Zuge plädiere ich nicht nur dafür, den Flugplatz Braunschweig-Wolfsburg so possierlich zu lassen, wie er gerade ist, sondern unterstütze auch jede weitere maßlose Lohnforderung der Pilotenvereinigung Cockpit. Mit der längst überfälligen Besteuerung des Flugbenzins dürfte das Fliegen dann so teuer werden, dass die von hier aus mit dem Zug erreichbaren Urlaubsorte wohl einen wahren Boom verzeichnen werden. Herzlichen Glückwunsch, liebe Ligurer, Toskaner, Adriaten und Alpenfestungsbewohner!

So kommt man also vom verbalen Lausen doch noch zu den wichtigen Themen der Zeit. Danke fürs Zuhören.