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Ausgabe Exklusiv Online
Autor Fabio Reinhardt

Einer flog über das Audimax – Urban Priols Beitrag zum Braunschweiger Satirefest

Das Licht wird gedimmt. Der Vorhang bewegt sich kurz. Applaus brandet auf. Er gilt einem Mittvierziger mit buntem Pullover, Nickelbrille und wirr abstehenden Haaren. Auf der Bühne des Audimax steht Urban Priol. Der Post-Hildebrandt-Generation zugehörig, ist Priol mittlerweile eine der Größen des deutschen Kabaretts und dabei noch einer der aussichtsreichsten auf die inoffizielle Nachfolge des lange Zeit mit seiner ARD-Show „Scheibenwischer“ die Politspaßlandschaft dominierenden Dieter Hildebrandt.

Urban

„Liebe Studenten!“, begrüßt Priol sein Publikum. Und dann, „Willkommen im Hauptseminar!“ Da momentan jedoch Semesterferien sind, sind die Studenten im Saal nicht sehr präsent. Die plagen sich trotz der späten Stunde anscheinend lieber mit Hausarbeiten, Klausurstress, Praktika und Sprachkursen. Die Kultur des politischen Kabaretts scheint bei unserer Generation (noch) nicht wirklich angekommen zu sein. Stattdessen scheint im Saal mehr die Altersklasse vertreten zu sein, der auch der Künstler angehört. Die amüsiert sich dafür köstlich, als Priol mit seinem Programm loslegt.


Sein Einstiegsthema ist der Nahverkehr in der Region: Auf den sei nämlich immer weniger Verlass seit der Streik beendet sei. Schuld daran sei Bahnchef Mehdorn, den er einen Rumsfeld auf Schienen nennt. Doch während man darüber noch nachdenkt, sind schon weitere aktuelle Themen in Bearbeitung: Der Liechtensteinskandal, VW-Affäre, Hessen-Wahl. Bei Priol kriegt jeder sein Fett weg. Die CDU, die Ypsilanti in flagranti bei toleranti erwischt haben will. Ebenso wie die SPD, die sich anscheinend auf die Fahnen geschrieben habe, keine Wahlen mehr zu gewinnen. Denn: Auch wenn es mal gut aussehe, sei schon darauf Verlass, dass jemand wie Clement, dieser Lobbyist der Atomindustrie, daherkomme und sage: „Ich weiß schon, wie man spaltet!“ Bei der FDP allerdings liege die Sache wieder ein wenig anders. Dass man aus dieser Richtung in der Affäre Zumwinkel so wenig Kritik vernimmt, müsse wohl daran liegen, dass man dort zu beschäftigt ist. Mit Aktenschreddern...

Publikum

Dabei geht Priol wie kein anderer in den Rollen auf, in denen er unsere „Politikbagage“ darstellt. In Angela, der Platitüdenmamsel, ebenso wie in Köhler, dem als Politversuch getarnten Bundeshorst. Über Putin kommt er dann auf Edmund, den Zar aus Bayern – dessen mysteriöse EU-Kommissions-Berufung nur einen möglichen Grund haben könne: Nach seinem Rücktritt habe offensichtlich auf höchster Ebene Ratlosigkeit geherrscht, wie man ihn denn von der Straße wegbekommen könne. Über Johannes Heesters und Hans-Werner Sinn geht es zu Horst Seehofer (dem nur zweitgrößten Horst der Nation). Mit großem Einfühlungsvermögen versetzt er sich in die einzelnen Charaktere bis er von seinem Handy jäh unterbrochen wird. Und immer wieder die innere Sicherheit, eines seiner Lieblingsthemen. Vom Innenminister, der mittlerweile ja schon unsere Festplatten des Jihad verdächtige, bis zur Bahn, die ihm am Morgen freundlicherweise seinen Koffer sprengte, da dieser zu lange unbeaufsichtigt herum gestanden habe.


Von da an wird er ständig von diversen Kommunikationspartnern wie seiner Frau, seinem ukrainischen Mitbewohner oder seiner Nachbarin in Form von hustenden Anrufen und niesenden SMS belästigt. Dabei seien ihm die umfangreichen Funktionen seines Handys sogar erst neulich hinreichend erklärt worden. Vor allem die Fernsehoption – von einem übereifrigen Mitarbeiter der GEZ, der dafür natürlich noch mehre Monate GEZ-Gebühr im Nachhinein kassieren wollte. Später kommt er dann aber auch noch zu weniger ernsten Themen. Handytarife und Handwerker. Abfallverwertung und den neuen Bond. Und natürlich die obligatorischen, typischen Kommunikationsprobleme zwischen Mann und Frau beim Frühstück.


Doch am Ende der rund zweieinhalbstündigen Show kommt dann noch einmal der politische Priol in ihm zum Vorschein. Da geht es der ganzen deutschen Öffentlichkeit, das Publikum vielleicht gleich noch mit eingeschlossen, an den Kragen. Wo die Franzosen sich eine unfähige, aber von ihnen wenigstens noch kontrollierte Regierung wählen, so die Priolsche Analyse, da resigniere man in Deutschland im defätistischen „Das hat doch alles keinen Sinn mehr“. Bei uns würde man höchstens noch aktiv, wenn zum Sturm auf die Destille angesetzt werde.

Bühne 3

Insgesamt sei gesagt, dass Priols Programm einfach frisch und abwechslungsreich ist. Sein Gespür dafür, sein Publikum zu führen und dessen Ansprüche und Wünsche zu erahnen, sind bemerkenswert und der Hauptgrund dafür, dass man ihn momentan zu einem der besten Kabarettisten überhaupt rechnen muss. Wer also noch die Gelegenheit hat, sich die Show live anzusehen, zum Beispiel am 29. Februar in Magdeburg, dem sei dies wärmstens empfohlen. Wer diese Chance verpasst, dem bleibt immerhin noch sein ständiger Auftritt bei „Neues aus der Anstalt“. Die Sendung wird seit Januar 2007 einmal pro Monat dienstags live im ZDF ausgestrahlt.

 

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Urban Priol im Netz