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Kategorie Studentische Initiativen
Ausgabe WS0607 - 3
Autor Johannes Temeschinko

HBK-Rundgang - Hier geht's lang

Ein Kommentar zum Rundgang der HBK ´06 

Dass am letzten Samstag der Vorlesungszeit jedes Jahr im Sommer das allseits beliebte und gut besuchte Sommerfest der HBK-Studierendenschaft stattfindet, hat sich anscheinend schon im regionalen Rahmen herumgesprochen. Weniger weit verbreitet scheint jedoch das Bewusstsein über den Rahmen jener Party – der Rundgang, der in den letzten vier Tagen vor dem Beginn der 'Großen Ferien' an unserer Hochschule abläuft und so ziemlich das größte Ereignis im Kalenderjahr des HBK-Studenten darstellt (wenn man mal Weihnachten, Geburtstag und WM-Halbfinale außer acht lässt). In diesen meist mit Kaiserwetter nicht geizenden Tagen stellt ein jeder und jede ihre bzw. seine künstlerischen oder wissenschaftlichen Errungenschaften der vergangenen 365 Tage vor – es bietet sich hier die Möglichkeit einer interessanten Öffentlichkeit darzulegen, an welchen Projekten im vergangenen Winter- und Sommersemester gearbeitet wurde.

Auch 2006 wird der Rundgang von mehreren nicht näher erwähnenswerten Reden eröffnet, während viele der anwesenden Studierenden und sicher schon der ein oder andere Besucher darauf warten, das Angebot an Speisen und Getränken im Weidenhof antesten zu können. Allein die Verleihung des Meisterschülerstipendiums an den chinesischen Maler Nashun Nashunbatu durch den Direktor der Stiftung Braunschweiger Kulturbesitz sei in dieser Nachlese noch einmal hervorgehoben. Dieser Preis in Höhe von 10.000 (?) Euro wird alljährlich an eine/-n Absolventen/-tin vergeben, deren künstlerische Arbeit von einem Konsortium der Stiftung als besonders förderungs-würdig erachtet wird. Die großformatigen Leinwände Nashunbatus wirken mit archaischen Landschaften, in denen winzig kleine Menschen insektengleich verschwinden, durch eine intensive Farbmacht und erdrückende Naturdarstellungen schwer auf den Betrachter und erniedrigen den Menschen angesichts einer übermächtigen Urgewalt.


Mit dem Ausklang des offiziellen Teils beginnen die zahlreichen Partys in den Ateliers und Nischen der Hochschule, die sich oft mit wechselnder Location bis Sonntag hinziehen – zwischenzeitliches nach-Hause-gehen aber nicht ausgeschlossen. Vor der Bibliothek auf dem Selenka-Platz präsentieren findige Industriedesigner ein zum Solarfahrzeug umgerüstetes Auto, wobei ich nicht beurteilen kann, ob es sich tatsächlich einen einzigen Zentimeter bewegt hat. Am darauffolgenden Donnerstag zeigen die Kommunikationsdesigner des ausgehenden Grundstudiums eine Ausstellung in einem leerstehenden Gebäude der Jahnstraße zum Thema 'Geheimnisse'. Für den Besucher gibt es in einer spielerischen Umsetzung viele verschiedene Räume zu erkunden, die sich auf individuelle Weise mit dem Begriff auseinander setzen. Ob man lieber in Kindheitserinnerungen an den ersten Kuss im Baumhaus schwelgt, sich an seine verlorenen Superhelden erinnert oder abstrakt wirkende Zeichen mit dem richtigen Blickwinkel zu einem Codewort zusammensetzt, bleibt einem selbst überlassen. Nicht jede Tür führt zum Ziel, Spione warten vielleicht schon hinter der nächsten Ecke, und unverhofft kann man auf leichbekleidete Models treffen, die dem Besucher nicht nur ihre Schlankheitstips verraten. Viele der Studierenden sind anwesend, um einen verirrten Besucher entweder auf den Pfad zurückzuführen oder ihre eigenen Ansätze näher zu erläutern.


Als Hauptattraktion öffnen die Ateliers im Artmax und der Blumenstraße ihre Türen für die Besucher, die gleichermaßen andere Studierende und externe Besucher sind. Eine umfassende Betrachtung der einzelnen Klassen würde den Umfang der Zeitung auf ein Telefonbuch anschwellen lassen, doch auch 2006 zeigen sich viele Künstler noch immer als innovative Kraft in Braunschweig, ganz gleich ob sie dem Besucher eine Auswahl aus 90.000 Dias präsentieren, Motorräder aus Holz bauen, riesige gemeinsame Wandcollagen in mühsamer Kleinarbeit zusammensetzen oder neue Tapetenmuster entwerfen. Gemalt wird nach wie vor in einer immensen Palette von riesengroßen Panoramen bis putzig kleinen Nippesbildern, so dass hier für jeden Betrachter ein visueller Gaumenschmaus trotz dieses Concettos dabei sein dürfte. Insbesondere in den vier Grundklassen experimentieren die 'Kleinen' mit allen denk- und undenkbaren Materialien und Darstellungsweisen, so dass man schon einmal Hitler mit blauer Einkaufstasche sieht, während nebenan die Mitstreiter leibhaftig im Einkaufswagen sitzen. Andere bauen Puppenhäuser mit alptraumhafter Innenein-richtung, pinseln naturalistische Portraits von italienischen Schauspielern der sechziger Jahre oder bilden einen Stuhlkreis – und zwar aus Stühlen. Tieferer Sinn manchmal inklusive und manchmal nur schwer zu finden.

Als besonderen Service für die erhitzten Rundgeher haben sich die Studenten der Klassen im Artmax nicht lumpen lassen, drei gigantische Pools vor ihre Glasfassade zu stellen, so dass man vom kühlen Nass aus durch die Scheiben nach innen auf die Kunst blicken kann. Zu sehen gibt's hier enorme Zeichnungen nach Motiven der Tagesschau, quietschbunte Aquarelle auf der gegenüberliegenden Wand (als Kontrast!?) sowie eine aufgezeichnete Agenda, die von toten Mücken übersäht ist. Diese sind zwar auch überdimensional groß, aber ebenso falsch und künstlich geschaffen wie der Tunnel durch einen Styroporblock nebenan. Ein Video gibt Auskunft über den Prozess, in dem sich der Künstler mit Werkzeug und bloßen Händen durch die Materie gräbt, bis Licht am Ende des Fluchtweges erscheint.

Direkt vis-a-vis schlängelt sich ein bizarre, scheinbar organische Form die Wände hoch, die sein Erschaffer bezeichnenderweise 'Parasit' nannte. Ansonsten sorgen neben unzähligen weiteren Exponaten auch ein Gummischwein aus Spülhandschuhen und zertrümmerte Marmeladengläser für erstaunte Gesichter. Zeit, sich im Planschbecken zu erfrischen.


Innerhalb des Rahmenprogramms ziehen die Filmprogramme am Freitag (von Prof. Klippel und Studierenden) und Samstag Abend (Filmklasse Prof. Hein) trotz der brütenden Hitze im Filmstudio wie eh und je die Besucherscharen an, dass die Stühle nicht reichen und trotz einer Menge ernsthafter und schwerwiegender Kost auch so manche Träne vor Lachen vergossen werden darf. Da die Pools nicht in Reichweite sind, kann sich anschließend mit kühlem Gerstensaft Klarheit verschafft werden, bevor noch dutzende von weiteren Entwürfen – von Sportwagenmodellen bis zu Bettgestellen – und Videoprojektionen und Klanginstallationen auf den nimmermüden Anschauer warten.

Nach Einbruch der Dunkelheit wird man Zeuge von Liveperformances im Weidenhof, die artistisch bis gruselig direkt mit den Besuchern interagieren. Diverse studentische Initiativen präsentieren sich und ihre Arbeit im Mensafoyer, wo man mit dem Künstler sofort bei einem Becher Eierlikör ins Gespräch kommt. An diesem Sammelpunkt für die mehrmals täglich stattfindenden Führungen bringen Designstudentinnen das hochschuleigene Magazin INDIVISUAL unters Volk, und man nimmt sich Zeit für einen Tratsch über das, was man schon oder noch nicht gesehen hat. Die Zeit vergeht wie im Fluge und so vieles bleibt unangeguckt, dann halt nächstes Mal. Wie auch unterm Tannenbaum heißt die Devise bei uns: Alle Jahre wieder. Wie sehen Euch vielleicht beim Rundgang 2007, an dem jetzt schon eifrig gearbeitet wird.