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Kategorie Politik
Ausgabe WS0708 - 7
Autor Fabio Reinhardt

Studiengebühren - Fakten, Infos und Kritik

Umstritten, lang umkämpft und immer noch heiß diskutiert: Die Studiengebühren – von offizieller Seite liebevoll „Studienbeiträge“ genannt. Zu zahlen sind sie seit dem Wintersemester 2006/2007 von den Erstis unserer Universität und seit dem letzten Sommersemester von allen Studierenden der TU – mit wenigen Ausnahmen. Was gab es nicht für einen Zank, und wer hat nicht alles gegen sie Stellung bezogen oder sogar gleich ein Gericht mit der Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit beauftragt. Als ebenso kompliziert wie ihre Einführung entpuppte sich die Verteilung und die Vergabe der Beiträge, sodass nicht einmal die Organisatoren immer so ganz den Durchblick hatten. Aber da die Einführung der Studiengebühren nun einmal Realität ist und manch ein Studierender vielleicht auch mal etwas genauer wissen will, was eigentlich mit seinem Geld, das ja nun ihm ganz speziell zu Gute kommen soll, genau gemacht wird, folgt hier nun ein kleiner Überblick über das „Was ist Was“ der Studiengebührenvergabe.

Enge Vorgaben = Geringer Nutzen?

Insgesamt haben wir für dieses Wintersemester eine Verfügungsmasse von vier Millionen Euro. Auch wer gegen die Einführung war, wird sicherlich dem Argument zustimmen, dass man, wenn man schon mehr bezahlen muss, auch den größtmöglichen Nutzen aus der Verwendung des Geldes ziehen will. Und den größten, schnell erzielbaren Nutzen böte uns doch wohl die Besetzung der so lange unbesetzt gebliebenen Professur in unserem Prüfungsfach oder die Renovierung und Ausstattung von Räumen, in denen das Wort Unterricht einen Euphemismus darstellt. Doch das fiese Ministerium scheint uns dies nicht zu gönnen. Gebäudesanierungen und die Besetzung von ordentlichem Lehrpersonal sind wie alles andere, das durch den regulären Etat der Hochschule gedeckt werden soll, von der Verwendung der Studiengebühren ausgenommen. Dabei könnte das Studieren durch die Studiengebühren so viel angenehmer werden, wenn man da ein wenig großzügiger wäre... oder etwa nicht?

Nein. Denn für die Aufrechterhaltung eines angemessenen Lehrangebots ist das Land zuständig. Wenn man anfängt, Studiengebühren wie ganz normale Drittmittel in den Haushalt einzuplanen, öffnet man eine Tür, hinter der sich noch eine ganze Reihe anderer Ansprüche verbergen. Beispielweise die benötigten Millionensummen an Baubedarf unserer Universität. Am Ende will dann jeder ein Stück vom großen Kuchen abbekommen. Und die Landesregierung weiß genau, dass es an der TU jede Menge Haushaltslöcher gibt − sie hat sie schließlich mit den Kürzungen in Höhe von 6,3 Millionen Euro im Rahmen des Hochschul-Optimierungs-Konzepts (2004/05) selbst verursacht. Das entspricht in etwa der Summe, die sich aus Studiengebühren jährlich ergibt. Das an sich ist für einen Zufall schon ziemlich auffällig. Das Ministerium weiß also, dass Studiengebühren als Teil des normalen Etats nicht nur zu Ansprüchen in Bezug auf die Höhe der Gebühren, sondern auch zu einem Image- und Glaubwürdigkeitsverlust führen könnten. Daher ist es im Interesse des Ministeriums, dass die Gelder nur auf Antrag und nur nach möglichst engen und „studierendenorientiert“ klingenden Verwendungsrichtlinien ausbezahlt werden.

Missbrauch liegt auf der Hand

Verbesserung der Lehre können zum Beispiel zusätzliche Tutorien oder Kurse darstellen. In der Realität sind es oft aber auch Kurse, die es bereits gab. Diese waren vorher unbezahlt oder ihre Finanzierung erfolgte aus anderen Quellen. Wie bei den Tutorien „Schlüsselqualifikationen“. Dazu einer der Tutoren: “Bisher wurde die Bezahlung ja auch irgendwie gewährleistet. Jetzt erfolgt sie stattdessen über Studiengebühren. Nur dass die Tutoren jetzt auch arbeiten, um die Studiengebühren, die sie vorher nicht bezahlen mussten, wieder reinzuholen. Meines Erachtens ist das fast so, als würde man das Geld einfach in den regulären Etat der Uni einstellen.“ Dieser Eindruck wird durch einen Blick auf die untere Hälfte der Liste bestätigt: Exkursionen, Bücher, Skripte, Labore, HiWi- und WiMi-Stellen sowie längere Bibliotheksöffnungszeiten. Dass man eine solche Fülle von vieldeutig formulierten Möglichkeiten schnell missbräuchlich interpretieren kann, zeigt der Fall der Physik im letzten Frühjahr. Dort wurde die Bibliothek kurz vor der Einführung der Gebühren eiskalt geschlossen, nur um später mit Studiengebühren wieder eröffnet zu werden. So kann man die „zusätzliche Verbesserung des Lehrangebots“ natürlich auch auslegen. Auch die Tatsache, dass das Gros der Anträge nicht von Studierenden, sondern von den Professoren stammt, lässt Zweifel am Erfolg ihrer theoretischen Zweckgebundenheit zu. Dazu kommt das Problem, dass die paritätische Mitbestimmung zwar offiziell ein Entgegenkommen durch das Präsidium darstellt, es aber leider nicht viele Studierende gibt, die Zeit und Lust haben, in den Gremien über die Rechtmäßigkeit der Anträge zu entscheiden. Oder sie kommen in die Situation, sich öffentlich ablehnend gegenüber dem Antrag eines künftigen Prüfers äußern zu müssen.

Verheizte Studiengebühren?

An anderen Hochschulen ist die Situation allerdings noch bedenklicher. Laut Frontal 21 vom 16. Oktober wurden an den Unis in Hannover, Bonn und Paderborn ganz offen Studiengebühren für Baumaßnahmen zweckentfremdet, da dies den Verantwortlichen zufolge auf gewisse Weise auch eine Verbesserung der Lehre darstelle. In Ulm wiederum wurde solange im Etat umgeschichtet, bis man am Ende mit Studiengebühren die Heizkosten bezahlen konnte. Aufgrund des Engagements der Fachschaften war so etwas an unserer Hochschule bislang nicht möglich. Anfragen von professoraler Seite und sogar gelegentlichen Druck vom Präsidium bezüglich Baumaßnahmen gab es aber auch hier bereits.

Die Frage nach dem genauen Verfahren bei der Verwendung der Gelder wird jedoch relativiert, wenn man das Ganze mal von einer anderen Seite her betrachtet: Alle Gelder werden letztendlich in Projekte gesteckt, die sich in zwei Gruppen aufteilen: die für die Studierenden notwendigen und sinnvollen und die für sie nicht notwendigen und unsinnigen. Die genaue Grenze dabei ist verständlicherweise äußerst fließend – das Versprechen allerdings lautet, dass es die sinnlosen nach Möglichkeit gar nicht geben wird. Es verbleiben also die Notwendigen. Und die bereit zu stellen, ist eigentlich die Aufgabe der Universität! Im Grunde genommen sind die Studiengebühren also sinnvoll wie ein Kropf. Eine über mehrere Ecken konstruierte Lehrverbesserung unterscheidet sich von einer offenen Verwendung für die dem Präsidium genehmsten Punkte im Etat nur in Nuancen. Eine echte Lehrverbesserung würde für viele Studierende eher dadurch erreicht, dass ihnen wieder mehr Zeit fürs Studium bliebe – indem sie nämlich weniger arbeiten müssten, um ihre Studiengebühren bezahlen zu können.

Fabio Reinhardt


Allgemeine Informationen zu den Studiengebühren an der TU

 

Wie sind die Gelder verteilt?

Bei Redaktionsschluss waren 7774 Studierende verpflichtet, in diesem Semester Studiengebühren zu bezahlen. Das entspricht der Gesamtsumme von 3.887.000 Euro.

Die Verteilung erfolgt nach einem internen Schlüssel. 35 Prozent sind für zentrale Stellen, 65 Prozent für die Fakultäten reserviert, wobei die Anteile für jeden Studiengang nach der Anzahl der Studierenden in der Regelstudienzeit berechnet werden. Es spielen aber auch noch andere Faktoren mit hinein, welche die Webseite des Präsidiums leicht verwirrend erscheinen lassen, auf der man ansonsten aber alle zur Verfügung stehenden Gelder und alle bisher bewilligten Anträge einsehen kann. Das Diagramm zeigt die für das Wintersemster 2007/2008 zur Verfügung stehenden Mittel.


Wofür dürfen die Studiengebühren ausgegeben werden?

Das Ministerium für Wissenschaft und Kultur hat 2005 im Haushaltsbegleitgesetz zum 2006 fertiggestellten Niedersächsischen Hochschulgesetz (NHG) die Einführung allgemeiner Studiengebühren beschlossen. Dem NGH zufolge sind die Einnahmen aus den Studiengebühren „Drittmittel für die Lehre, die nach klarer Zweckbestimmung des Gesetzes zur Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen einzusetzen sind.“ Die Hochschulen „entscheiden über die Verwendung der Mittel aus Studiengebühren in eigener Verantwortung – und unter möglichst breiter Mitwirkung der Studierenden.“

Zur Bewilligung vorgesehen sind:

  • Tutorien und sämtliche sonstige, ergänzende Kurse sowie Gastdozenturen und Lehraufträge
  • Personal und Projekte für zusätzlichen Service (HiWis und Wissenschaftliche Mitarbeiter)
  • Paten- und Mentorenprogramme sowie Erstsemestereinführungen und Exkursionen
  • Erweiterung der Informationen im Internet und Qualitätsprüfung der Lehre
  • Bücher, Skripte, Labore, Geräte, längere Bibliotheksöffnungszeiten etc.
  • Leistungsstipendien (250 oder 500 Euro)

Wer entscheidet über die Anträge?

Die dezentralen Anträge werden zuerst von den Studienkommissionen (StuKo) gesichtet. StuKos sind paritätisch besetzt, ihren Vorsitz hat die Studiendekanin der Fakultät. Obwohl ihre Empfehlungen nicht bindend sind, werden von der StuKo zurückgewiesene Anträge in der Regel nicht weiter diskutiert. Alle Anträge werden gemeinsam der Senatskommission für Studium, Weiterbildung und Internationales (KSWI) vorgelegt. Auch diese ist paritätisch besetzt, mit einem Studierenden und einem Professor pro Fakultät. Ihren Vorsitz hat der/die VizepräsidentIn für Studium und Lehre – aktuell Frau Professor Jürgens (Päd. Psych.). Auch ihre Entscheidungen sind jedoch nicht bindend für das Präsidium, das letztendlich als maßgebliche Instanz über die Bewilligung der einzelnen Anträge entscheidet.


Wie kann ich Gelder beantragen?

Von dem Geld, das einer Fakultät/einem Fach vom Präsidium zugewiesen wird, werden für die studentische Verwendung 10 Prozent reserviert. Antragsberechtigt für dieses Geld sind Deine gewählten studentischen Vertreter. Die Fachgruppen sind jeweils für ein Fach und die Fachschaften jeweils für eine ganze Fakultät zuständig. Für bestimmte Anträge, wie für die Beantragung einer HiWi-Stelle, benötigen die studentischen Vertreter die Kooperation ihres/r StudiendekanIn. Wende Dich also an sie oder an Deine StudiendekanIn, wenn Du eine gute Idee für die Verwendung der Gelder hast. Oder noch besser: Kandidiere selbst für den Posten als Vertreter der Studierenden. Dann kannst Du Deine Ideen besser einbringen und eigenhändig umsetzen.


Was kann ich jetzt noch gegen Studiengebühren unternehmen?

Rechtlich scheinen die Studiengebühren kaum noch anfechtbar. Klagen gegen ihre Rechtmäßigkeit, zum Beispiel vor dem Verwaltungs- und dem Verfassungsgericht in Karlsruhe, wurden abgewiesen. Und auch die bisherigen Boykottversuche scheiterten entweder bereits, wie in Braunschweig, an der mangelnden Zahl der Beteiligten oder, wenn eine ausreichende Beteiligung vorhanden war, am Starrsinn der Unileitung. Wie bei der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. Dort wurde etwa die Hälfte der Studierenden der kleinen Hochschule aufgrund ihrer nicht überwiesenen Studiengebühren zwangsexmatrikuliert.

Obwohl dies die Aussichten auf zivilen Ungehorsam vielleicht etwas düster erscheinen lässt, erwägt der AStA der TU BS einen neuen Boykott für dieses Wintersemester. Dieser kann natürlich nur erfolgreicher verlaufen, wenn er durch die Solidarität breiter Teile der Studierendenschaft und eine möglichst landesweite Vernetzung unterstützt wird. Zu diesem Zweck steht der AStA in Kontakt mit den anderen niedersächsischen Unis, um das gemeinsame Vorgehen zu planen. Außerdem würde erst noch eine Vollversammlung stattfinden, bevor der Boykott in die konkrete Planung ginge, damit möglichst viele Studierende zu dem Thema Stellung beziehen können.