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Kategorie BUZe kontrovers
Ausgabe WS0607 - 3
Autor Marc Chmielewski

Mein Problem mit dem Asta – eine Polemik

 

Für den Druck der 3. Ausgabe haben wir versehentlich eine falsche Version verwendet. Die aktuelle, korrekte Fassung findest Du hier:

 

Der Asta kämpft gegen heuchlerische Politiker, die in Sonntagsreden den existenziellen Stellenwert von Bildung preisen, in der Praxis aber demonstrieren, dass sie entweder ihre eigenen Reden nicht verstehen oder lügen. Der Asta berät Ratlose, stärkt Schwache und macht die Bahn frei fürs Semesterticket. Danke, Asta!

Alles paletti also? Nicht ganz. Denn der Asta führt auch vor, wie man sich mittels ideologischer Verbohrtheit selbst ein Bein stellen kann. Er könnte unsere Interessen wirkungsvoller vertreten. Dazu allerdings müsste er sein paranoides Gebräu aus neoliberaler Verschwörung, imperialistischen Finsterlingen und „antifaschistischem“ Widerstand entsorgen.

„Wo wart Ihr am 1. Mai?“, wurde vorwurfsvoll im Asta-Info gefragt. Die wenigen Teilnehmer der Kundgebung am Burgplatz konnten sich „fast alle per Handschlag“ begrüßen, heißt es bitter. Warum sind so wenige dem Aufruf des Asta gefolgt? Vielleicht, weil viele sich ungern von Leuten mobilisieren lassen, mit denen sie in mancherlei Hinsicht lieber nicht in Verbindung gebracht werden möchten?

 

Panoptikum zur Asta-Welt

Wer wissen will, wie der Asta tickt, muss sich die Plakate in seinem Schaufenster vorm Eingang der Mensa Katharinenstraße ansehen. Da wird etwa behauptet, Gefängnisse gehörten komplett abgeschafft, weil mit ihrer Hilfe Konflikte „weggesperrt“ statt „ausgetragen“ würden. Habe ich was verpasst? Ich dachte immer, Konflikte zwischen der Gesellschaft und Individuen, die gegen ihre Regeln verstoßen, werden ausgetragen, und zwar vor Gericht und auf Grundlage demokratisch legitimierter Gesetze.

Beim Asta sieht man klarer. Kinderschänder, Bankräuber, Meuchelmörder – warum denn immer gleich in den Knast? Wo sich doch wahrscheinlich auch durch zivilisierten Plausch am runden Tisch so manches Missverständnis hätte ausräumen lassen, um die „künstliche Trennung“ zwischen „bösen Kriminellen“ und „guten Normalen“ basisdemokratisch auszuhebeln. Was möchten uns die Initiatoren der vom Asta unterstützten „Knastkampagne Bremen“ sagen? Dass das „Austragen“ von Konflikten mittels Lynchjustiz oder anderer Instrumente jenseits des reaktionären Wegsperrens ein gesellschaftlicher Fortschritt wäre? Immerhin würde den bösen staatlichen Kontroll- und Strafmechanismen so ein Schnippchen geschlagen.

 

Bomben gegen Sozialabbau

Und diese Mechanismen sind es, die in der Welt des Asta unser Hauptproblem sind. Ein weiteres Plakat zeigt eine Fotomontage: Das Göttinger Arbeitsamt brennt lichterloh und wird von einem Mob unter dem Banner der „Antifaschistischen Aktion“ belagert, was der Asta als Protest gegen den schlimmen Sozialabbau im Lande verstanden wissen will. Motto des Ganzen: Kapitalismus abschaffen. Das Motiv stammt vom Umschlag des Terror-Leitfadens „Revolutionäre Kriegswissenschaft“, in dem der Anarchist Johann Most sich unter anderem ausmalt, „welch herrliche Wirkung“ eine „unter der Tafel einer schlemmenden Bankettgesellschaft“ platzierte Bombe haben könnte.

Ja, wie herrlich wäre das! Terror? Nun mal halblang, denn der wahre Terror, so sehen es die Asta-Durchblicker, liegt im Alltag. Er äußert sich wahlweise als „Sicherheits-“, „Konsum-“ oder „Werbeterror“ und manifestiert sich in Veranstaltungen wie der Fußball-WM. Wir erinnern uns: Die kleinen Leute waren vier Wochen lang feindlichem Werbetrommelfeuer ausgesetzt, jeder Funken Freude wurde von der Dampfwalze polizeistaatlicher Repression zerquetscht. Es war eine dunkle Zeit, mitten im Hochsommer. Zum Glück traut sich der Asta, das auch auszusprechen. Zwar galt es die WM schon wegen der Sponsorentätigkeit des heimtückischen Coca-Cola-Konzerns zu „sabotieren“, aber uns wurden die Augen geöffnet für weitere Auswüchse der kapitalistischen Weltverschwörung: In den VIP-Logen lasse man es sich bei Froschschenkeln, Kaviar, Hummer, Schampus und osteuropäischen Prostituierten gut gehen, verriet ein Plakat.

Ist doch nur Satire, wird es wie beim Kapitalismus-abschaffen-Plakat heißen, aus dessen Bildsprache sich ohne gedankliche Verrenkungen ein Aufruf zur Gewalt herauslesen lässt. Bloß: Was ist, bei aller künstlerisch legitimen Zuspitzung, die Aussage? Dass die Verhältnisse sich nur mit einer zünftigen Revolution verbessern lassen? Dass wir hier unten von denen da oben ausgebeutet werden? Dass unsere Demokratie eben doch nur eine besonders perfide Unterdrückungsmaschine ist?

Eine Plakatkampagne gegen Coca Cola porträtiert den Konzern als Mörderbande. Hintergrund ist die Ermordung des kolumbianischen Gewerkschafters Isidro Gil. Er wurde 1996 auf dem Gelände eines Abfüllwerks, in dem die Firma Panamco Softdrinks für Coca Cola produziert, von Paramilitärs erschossen. Auf den Plakaten heißt es, seit 1990 seien neun Gewerkschafter „bei Coca Cola Kolumbien“ ermordet worden. Solche Verbrechen anzuprangern ist ehrenwert. Daher fällt die Solidarisierung mit verfolgten kolumbianischen Gewerkschaftern nicht in die oben eröffnete Kategorie der Gaga-Kritik.

 

Heuschreckenalarm!

Doch man muss sich klar machen, dass auch sie ihren Kern in der fixen Idee einer neoliberalen Weltverschwörung hat. Denn kritisiert wird eben nicht allein aus Empörung über abscheuliche Verbrechen. In guter antiimperialistischer Tradition ergreifen die Cola-Gegner Partei für die Unterdrückten, aber welche Unterdrückten eine Kampagne wert sind, wird nach bewährtem Muster selektiert: Nicht das Ausmaß des Unrechts oder wer unterdrückt wird, entscheidet über ein Engagement – sondern wer der Unterdrücker ist. In diesem Fall ist es ein US-Großkonzern. Wir dechiffrieren: Der Heuschreckenkapitalismus und seine Schergen sind am Werke.

Deswegen empört der Tod kolumbianischer Gewerkschafter den Asta so sehr, und deswegen werden andere Gewaltopfer nicht nur keiner Beachtung für würdig befunden, sondern auch noch verhöhnt, indem etwa Jeroen Kuiper im Asta-Info über „die Ereignisse“ in Venezuela als „Hoffnung“ für ein „anderes Lateinamerika“ schwadroniert – ein Land, in dem laut Amnesty International unter dem autokratischen Chavez-Regime deutlich mehr Oppositionelle ermordet wurden als Coca Cola in Kolumbien überhaupt Mitarbeiter hat. Doch solche Verbrechen zählen nicht, denn Präsident Hugo Chavez nennt sich Sozialist und hasst die USA, und das reicht offenbar als Eintrittsticket ins Lager der Guten.

 

Kuscheln mit Castro

Der Anti-Unterdrückungs-Reflex funktioniert eben nur, wenn als Urheber des Übels der Kapitalismus oder die Amis als dessen notorische Exponenten dingfest gemacht werden können. Man stelle sich einmal die Entrüstung vor, wenn George Bush private TV-Stationen zwänge, wöchentlich eine Stunde Regierungspropaganda zu senden! In Venezuela ist das längst Gesetz, aber wo an einem „anderen Lateinamerika“ gehobelt wird, jammern nur Miesmacher über Spanflug. Seit Chavez’ Kumpel Saddam der künstlichen Trennung zwischen „bösen Kriminellen“ und „guten Normalen“ in seinem Land zum Opfer gefallen ist, kuschelt der Hoffnungsträger mit den Philanthropen Fidel „Freies Kuba“ Castro und Mahmud Achmachmirdendschihad – wenn er nicht gerade seine Landsleute in mehrstündigen Fernsehansprachen über zionistische und imperialistische Weltverschwörungen ins Bild setzt. Bin ich kleinkariert, wenn ich unter Hoffnung etwas anderes verstehe?

Nun gut, der Asta hat ein Faible für gelebten Antikapitalismus und ein merkwürdiges Bild vom Rechtsstaat, aber das sind ja nur Plakate. Was ist mit den Leuten selbst? Anfang des Jahres habe ich beim Asta mal nach dem Sinn des Kapitalismus-abschaffen-Plakats gefragt. Die Argumentation ging ungefähr so: Im Bildungssystem werde ja alles immer schlechter, siehe Studiengebühren, und daran sei, siehe Sparzwänge, der Kapitalismus schuld. Das lässt im Grunde keine Fragen mehr offen – außer: Was machen wir, nachdem wir den Kapitalismus abgeschafft haben, am Nachmittag? Ich wandte ein, dass es ja einerseits kapitalistische Länder gebe, in denen das Bildungssystem besser funktioniere (skandinavische Staaten), mir andererseits aber kein nicht kapitalistisches Land (Kuba? Nordkorea?) einfalle, das uns da etwas voraushätte. Mithin wirke doch die Brandmarkung des Kapitalismus als Wurzel allen Übels etwas konstruiert.

 

Emanzipation von Fakten

Neoliberales Gewäsch! Stockernst wurde mir erklärt: Ja, vielleicht hätten die skandinavischen Länder ein besseres Bildungssystem, bloß beruhe der dortige Wohlstand primär auf der Ausbeutung der Länder der Südhalbkugel. Und Kuba sei nun wirklich kein gutes Beispiel für Defizite im Bildungswesen – Zigarrendreherinnen würden bei der Arbeit sogar wissenschaftliche Texte vorgelesen. Einen Moment konnte ich den bohrenden Neid auf kubanische Zigarrendreherinnen kaum unterdrücken. Denn hinzu kommt ja die weithin bekannte Tatsache, dass es in ihrem Land bestimmt nicht so einen Blödsinn gibt wie Gefängnisse, in denen „gesellschaftliche Konflikte einfach weggesperrt“ werden.

 

Nun ist es ja nicht verboten, eine von Fakten emanzipierte Sicht auf die Wirklichkeit zu vertreten und andere daran teilhaben zu lassen. Aber mit hanebüchenem Unfug zu den Themen A, B und C disqualifiziert man sich eben leider auch für die Diskussion um Thema D, zu dem man vielleicht Richtiges und Wichtiges zu sagen hat. Nicht, dass man das Recht verwirkt hätte, im Streit um Thema D Position zu beziehen – aber die Durchschlagskraft der Argumente wird von vornherein dadurch untergraben, dass sie von Leuten geäußert werden, die sich durch sektiererischen Schwachsinn auf anderen Gebieten lächerlich machen und so das Gewicht ihrer Meinung unnötig verringern. Der Asta verspielt also auch da Beachtung, wo er richtig liegt und sich vorbildlich für seine Wählerschaft einsetzt. Das ist schade. Für den Asta selbst und für uns alle.

 

Eine Antwort des AStA auf diesen Artikel, erschienen in Ausgabe 01/07, findet Ihr hier.

 

 

Die Reaktion mehrerer Leser auf diesen Artikel finden sich hier.