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Kategorie Feuilleton
Ausgabe WS0607 - 4
Autor Katharina Wienß

Studentenleben - Der perfekte Weg

Jeden Morgen quäle ich mich aus dem Bett, nachdem ich den Wecker durch sanftes Draufschlagen mehrmals um Gnade angefleht und das penetrante Kratzen des halb verhungerten Katers an der Schlafzimmertür ignoriert habe. Immer bin ich ein bisschen zu spät dran, stopfe dann in Eile alles in meinen Rucksack, was ich für den Tag an der Uni brauche, füttere den Kater, nehme noch schnell einen Schluck Kaffee und versuche mich so herzurichten, dass man mir nicht ansieht, wie wenig ich darüber nachgedacht habe, wie ich aussehe. Habe ich dann alles beisammen, schwinge ich mich – immer noch etwas müde – auf meinen glorreichen Drahtesel und trete ordentlich in die Pedale. Schließlich muss ich die durch Schlaf verlorene Zeit wieder rausholen. Wenn es jetzt zwischen meiner Wohnung und der Uni keine Hindernisse mehr gäbe, wäre ich wahrscheinlich in fünf Minuten dort. Was für ein absurder Gedanke! Schon nach nicht einmal hundert Metern stehe ich an einer Ampel. Ich muss warten, was mir zuwider ist. Durch das Warten drängt sich mir der Gedanke auf, heute doch mal den anderen Weg – durch den Park statt über den Ring – in Richtung Uni zu nehmen. Der müsste doch kürzer sein. Kaum Ampeln, die mein Vorwärtskommen bremsen. Kaum Bushaltestellen, wo unachtsame Fußgänger, haltlos in ihrem Bestreben, als erstes den Bus zu betreten, über den Fahrradweg rennen. Und nicht zu vergessen, keine Ausfahrten, an denen ich ständig Gefahr laufe, von ebenfalls unausgeschlafenen Autofahrern übergekachelt zu werden. Autofahrer, die ohne Seitenblick bis zur Hauptstraße vorfahren, nur um beim Abbiegen eventuell ein paar Sekunden sparen zu können, die sie dann wieder an der nächsten Ampel verlieren.


Das alles lässt den Parkweg effizienter und sicherer erscheinen. Also biege ich nach links ein und gebe ordentlich Gas. Hoch motiviert schaffe ich es, den Gipfel einer Anhöhe zu erklimmen, die mir den unbeschwerten Weg noch verwehrt. Dahinter wird es abwärts gehen. Ein schnelles Abwärtssausen ohne viel Mühe. Voller Vorfreude auf den bevorstehenden Geschwindigkeitsrausch und die damit einhergehende Zeitersparnis, muss ich oben angekommen ernüchtert feststellen, dass mir ein kräftiger Wind entgegen bläst. Also muss ich bergab doch tatsächlich auch in die Pedale treten. Nachdem ich einigermaßen Schwung erreicht habe, tritt in Gestalt einer alten Frau ein erneutes Hindernis auf die Straße. Behäbig schleppt sie sich in Richtung Zebrastreifen. Jetzt muss ich mich entscheiden. Mit einer ausreichenden Geschwindigkeit überquere ich eventuell noch kurz vor ihr den Zebrastreifen und bin dann nicht gezwungen, anzuhalten. Will ich aber – ganz der geduldige Mensch, der ich zumeist bin – lieber ihr sowie das meine Leben ungefährdet lassen, muss ich stoppen. Ärgerlich warte ich, bis ich weiter fahren kann. Im Park kann dann ja nichts mehr schief gehen, denke ich. Wer hätte denn damit rechnen können, dass ausgerechnet um diese Zeit eine Horde von Kindergartenkindern singend und sich an den Händen haltend unterwegs ist und in für diese Urzeit unangemessen guter Laune den Radweg blockiert. Jetzt nur nicht die Fassung verlieren! Mit buddhistisch anmutender Geduld steige ich von meinem Fahrrad und überlege mir – während ich hinter der Kindermeute herlaufe – wie ich mich geschickt in den Vorlesungssaal schleichen kann, ohne dass jemand merkt, dass ich schon wieder zu spät bin. Als ich wieder aufsteigen kann, vermerke ich innerlich, dass der Parkweg keineswegs kürzer ist. Er tut nur so. Leider ist auch er nicht der perfekte Weg zur Uni. Der Weg, auf dem ich geschwind fahren kann, auf dem es keine Hindernisse gibt und der auch noch eine schöne Kulisse bietet. Oder vielleicht doch?

Eventuell ist der Parkweg nur an diesem Tag nicht perfekt. Vielleicht bin ich zur falschen Zeit dort entlang gefahren. Zeit ist Raum sagen die Physiker. Zeit ist Geld sagen die meisten. Wann ist Zeit zu einer derart bestimmenden Größe geworden? Der Tag wird in Zeituntereinheiten eingeteilt und dann optimal genutzt. To do-Listen, Telefonieren im Bus, Essen im Stehen, Prüfungsliteratur im Zug, E-Mails an Dozenten und die Zeitung im Badezimmer: Zeitverschwendung ist die moderne Todsünde. Aber führt die Optimierung der vorhandenen Zeit auch zu optimalen Ergebnissen? Ist schneller auch besser? Bin ich eine bessere Studentin, wenn ich früher in der Uni ankomme?


Nach dem letzten Abschnitt meiner Fahrt, suche ich mir einen Parkplatz nahe der Eingangstür und erklimme dann flugs die Treppen zum Gebäude. Eilig haste ich die Gänge zum Hörsaal entlang. Die letzten Meter vor der Tür lausche ich angespannt, um zu erahnen, wo sich unser Professor gerade befindet. Während ich die Türklinke geräuschlos öffne, halte ich die Luft an und versuche, keine eiligen Bewegungen zu vollführen. Mit rotem Gesicht und entschuldigender Miene suche ich mir einen Platz in den hinteren Bänken. Während ich meine Tasche auspacke, öffnet sich die Tür erneut und Ramona betritt gehetzt den Vorlesungssaal. Sie wohnt übrigens gleich um die Ecke.

Katharina Wienß