Menu:

Kategorien


Internationales
BUZe kontrovers
Feuilleton
Studentische Initiativen
Im Gespräch mit...
Politik
Sonstiges
Aus den Fakultäten
Rezensionen
Regionales
Editoriale
Buschlinger ist sauer
Studentenleben
Der Nestbeschmutzer
Kategorie Feuilleton
Ausgabe WS0607 - 4
Autor Viola Driehorst

Scam-Mails from Africa - Our only hope is YOU!

“I am Mr. Danladi Abacha. The third son of late General Sani Abacha, former Nigerian head of state. … The security men are after me and I have U.S.$10 million money hidden somewhere. Now I want to move the money to abroad quickly as government investigators are hunting for me to recover the money. … For your assistance I will give you 30% of the total money as soon as I reach a compromise with you. Please don’t hesitate to assist me, because I am very much in need of your help.”

Wer hatte sie noch nicht in seinem virtuellen Briefkasten, diese langen Mails in gebrochenem Englisch aus Afrika mit der Bitte um Hilfe, eine Menge Geld in Sicherheit zu bringen und dafür eine hohe Belohnung zu erhalten. Afrikanische Scam-Mails, auch bekannt unter dem Namen Nigerian Connection, stellen eine besondere Art des gezielten Betrugs dar: Maßlos, unverblümt, direkt und sprachlich aberwitzig werden Menschen, politische Ereignisse und Situationen erfunden, die in ihrer tragisch-katastrophischen Art mit den in Europa und den USA verbreiteten Vorurteilen spielen, die in unseren Köpfen über korrupte und chaotische Zustände in afrikanischen Staaten herumschwirren. Dramatische Geschichten werden erzählt: beispielsweise von dem Sohn eines angolanischen Rebellenführers, oder von Sprösslingen eines von Mugabe ermordeten schwarzen Großgrundbesitzers, Episoden von korrupten hohen Beamten, die Geld bei Öldeals oder illegalem Waffenhandel abzweigen konnten oder auch die rührende Geschichte eines zum Christentum bekehrten muslimischen Warlords, der nun sein Geld in einem Christenland investieren möchte. Es wird von Tyrannei berichtet, von Bürgerkriegen, Militärputschen, Palastintrigen, Exil, Korruption, Mord und tragischen Unfällen.

„Many of their convoluted stories read like old folk tales telling of good and evil kings, of golden treasures, of princes and princesses. Like folklore in preliterate times, the scam-mail stories circulate in many different versions; only this time, they are retold electronically and embellished with the appropriate details.“ (Henning Wagenbreth)

Henning Wagenbreth, seit 1994 Professor für Visuelle Kommunikation an der Universität für Künste in Berlin und für seine Illustrationen bekannt (1994 Der Polarforscher von T.C. Boyle, 1996 Die Große Mausefalle von Alfred Lichtenstein, 1999 Mond und Morgenstern von Wolfram Frommlet u.a.) hat 36 dieser kleinen bösen Meisterwerke in seinem Buch Cry For Help! gesammelt und mit Linolschnitt-Technik und leuchtenden Farben illustriert. Am 3. Februar wird eine Ausstellung zu Cry For Help! 36 Scam Emails From Afrtica in der Galerie heliumcowboy artspace in Hamburg mit einem Vortrag Henning Wagenbreths eröffnet. Neben Drucken und Original-Linolschnitten aus der Cry For Help!-Serie werden hier bis zum 23. Februar Comic-Strips von Plastic Dog, Produkte des automatischen Illustrationssystems tobot und andere Graphiken zu sehen sein. Eine gute Gelegenheit, das studentische Niedersachsenticket für einen Trip in die schöne Hansestadt zu nutzen.

Abgesehen von dem visuellen Anreiz, den die markanten und von schwärzestem Humor durchzogenen comicähnlichen Bilder Wagenbreths bieten, hat er mit dem Projekt Cry For Help! die Aufmerksamkeit auf eine kriminelle Goldgrube gelenkt, denn ob man es glaubt oder nicht – der Betrug funktioniert: Postkoloniale Schuldgefühle aber vor allem die Verlockung nach dem schnellen Geld – natürlich „absolut risikofrei“ – verleiten immer wieder Gutgläubige, in solche Projekte zu investieren, ohne jemals einen Cent ihres Geldes wiederzusehen, geschweige denn etwas von dem versprochenen Millionengewinn. Die Glaubwürdigkeit der haarsträubendem Geschichten wird von Links zu seriösen Internetseiten gestützt, und wenn tatsächlich Interesse bekundet wird, gibt es ausgearbeitete Verträge, Geschäftsmänner und Anwälte, die den Deal scheinbar sicher unter Dach und Fach bringen. Das „Fluchtgeld“ und die „Blutdiamanten“ sollen auf ein sicheres ausländisches Konto verschoben werden, für dessen Bereitstellung dem Empfänger eine Kommission von 20 bis 40 Prozent in Aussicht gestellt wird. Fiktive Kosten, die nötig sind, um den Geldtransfer des Millionenvermögens abzuschließen, schröpfen die Betrogenen solange sie mitmachen – immer die verlockende Aussicht nach einem beträchtlichen Vermögen vor Augen wie die sprichwörtliche Möhre vor der Nase des Esels. Hinter diesen schmutzigen Betruggeschäften stehen gut organisierte zumeist nigerianische Banden, die auch vor Gewalt nicht zurückschrecken, sollte ihnen jemand in die Quere kommen. So wird Betroffenen von eigenen Nachforschungen in den entsprechenden Ländern abgeraten, da bei solchen Versuchen bereits Menschen verschwanden oder ums Leben kamen. Es heißt Scam-Mails seien nach dem Öl- und Kakao-Export der drittgrößte Wirtschaftszweig Nigerias – mag das stimmen oder nicht, solange genug Dumme auf die groteske aber viel versprechende Fabelwelt der Scam-Mails hereinfallen, werden wir auch weiterhin immer mal wieder solch ein kleines literarisches Meisterwerk urbaner afrikanischer Mythen in unserem Postfach vorfinden – ein tragikomischer Auswuchs des postkolonialen Nord-Süd-Konflikts.

Viola Driehorst