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Kategorie Politik
Ausgabe WS0607 - 4
Autor Johannes Temeschinko

Was zur Wahl steht?* - Eine Polemik zu den studentischen Wahlen an der HBK

Gelegentlich kann es vorkommen, dass am Strand der kanarischen Inseln ein Wal von der örtlichen Polizei gesprengt werden muss. Das Tier kann nicht mehr ins Wasser zurück und würde am Ufer liegend langsam vertrocknen. Zu diesem Zweck bohren die Carabinieri auf Teneriffa oder La Gomera mehrere tiefe Schächte in die Speckschicht des Wales, um das Tier anschließend von innen her zur Explosion zu bringen.

Zwar klingt es wenig einfallsreich, auf der fahlen Homonymie von ‚Wal’ und ‚Wahl’ herum zu reiten – immerhin ein rhetorisches Bild mit Methusalems Bart im Schlepptau – doch außergewöhnliche Umstände erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Dieser Text kann keine solcher Maßnahmen leisten, aber Misstände werden nicht dadurch besser, dass sie dezent verschwiegen bleiben.

Die Studierenden der HBK stehen in ihrer Tranigkeit und Hilflosigkeit in nichts dem gestrandeten Dickhäuter nach, was sich an der spärlich besetzten Liste zu den diesjährigen Studierendenparlamentswahlen ablesen lässt. Mit nur dreizehn nominierten Kandidaten – für alle Studiengänge der HBK insgesamt, wohlgemerkt – erinnert das Prozedere schwer an kommunistische Blockwahlen, in denen ebenfalls alle zur Wahl gestellten Strohmänner (und –frauen) gewählt werden mussten, um überhaupt eine Beschlussfähigkeit herstellen zu können. Diesen glorreichen Dreizehn ist es immerhin hoch anzurechnen, dass sie sich zur Wahl stellen, obgleich der Begriff selbst ad absurdum geführt wird, wenn alle Kandidaten ‚gewählt’ werden müssen.

Natürlich ist niemandem das Recht abzusprechen, die eigene Wahl auf das Nicht-Wählen zu fällen, denn auch die Enthaltung ist Bestandteil einer Wahl. Jedoch wird dem gesamten Bereich der studentischen Mitbestimmung der Boden entzogen, wenn circa drei Viertel aller Wahlberechtigten von diesem Recht Gebrauch machen.

Insbesondere, und das ist der entscheidende Punkt bei den StuPa-Wahlen, scheint es niemanden von all denen zu stören, dass sie und wir alle jetzt richtig zur Kasse gebeten werden. Eine Mitsprache bei der Verteilung und Nutzung der von allen gezahlten Studiengebühren ist demnach keineswegs gewollt oder gar erwünscht. Frei nach dem Motto: Papi bezahlt schon. Und weil ICH ja damit meinen Soll erfüllt habe, lasst mich bitte in Ruhe. Ich bin mir ziemlich sicher, dass mehr Studierende sich für den Verbleib ihres Geldes interessieren würden, wenn sie es selbst für einen Stundenlohn von 5,50€ bei einer Fastfoodkette erwirtschaftet hätten.

Sicherlich; nach wie vor hat ein in bildungspolitischen Sonntagsreden schwadronierender Politiker nichts anderes als Hohn verdient, wenn von den Ressourcen des Standorts die Rede ist. Andererseits haben meines Erachtens auch die Studenten in ihrer Lethargie und der heutigen Was-soll-ich-denn-tun?-Mentalität nichts Besseres als solche Politiker verdient. (Und natürlich weiß auch ich, dass man nicht alle über einen Kamm scheren kann und das Bild der Studierenden nicht so bipolar ist, wie es der Autor hier zwecks Überspitzung darstellt.)

Dennoch sollte auch dem Letzten mittlerweile aufgefallen sein, dass sich die Schürfrechte an besagtem Rohstoff in jüngster Vergangenheit massiv verschärft haben. Nur leider interessiert es die Wenigsten. Darin äußert sich der enorme Mangel an Solidarität zwischen denen, für die Papi schon gezahlt hat, und den anderen, die nicht 500€ übrig haben und die ebenso wenig ihre Eltern anpumpen können. Aber wenn ich auf die unterernährte Kandidatenliste blicke, dann haben wohl auch diese schon längst resigniert und sich mit der finanziellen Streckbank abgefunden.

Somit prophezeie ich für die bevorstehenden Wahlen einen neuen Rekord an Nicht-Beteiligung und rufe trotzdem hinterher: Bitte, widerlegt mich!

Johannes Temeschinko

* Da ich mich schon frech beim Titel bediene, hier die gesamte Copyright-Info: Ulrich Beck. Was zur Wahl steht. Suhrkamp, 2005.