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Kategorie Politik
Ausgabe SoSe06 - 2
Autor Johannes Gütschow

Von Frankreich gelernt? - Die Studierendenproteste im Sommersemester 06

In der letzten Ausgabe berichtete BUZe über die Proteste gegen das „Gesetz zur Chancengleichheit“ in Frankreich. Der von Studierenden organisierte Protest war zumindest teilweise erfolgreich, ein Teil des Gesetzes, der Erstanstellungsvertrag CPE wurde zurückgenommen.

Als das Sommersemester auch hierzulande begann, ging es in Hamburg, NRW und Bayern gleichzeitig in die heiße Phase der Einführung von Studiengebühren. In Hessen, wo Bildungsgebühren eigentlich durch die Landesverfassung verboten sind, hatte die Landesregierung ein findiges Gutachten anfertigen lassen, wie die Einführung doch möglich sei und auch gleich einen Gesetzesentwurf nachgelegt. Angespornt durch den Erfolg in Frankreich fingen die Proteste an. Ein zentrales Motto war „Von Frankreich lernen“, bzw. der Ruf nach „französischen Verhältnissen“. Es wurden auch schnell Kontakte nach Frankreich geknüpft, um sich über Aktions- und Organisationsformen auszutauschen. Im Prinzip laufen in Frankreich ähnliche Aktionen wie hier – nur irgendwie besser.

Irgendwie besser heißt auch entschlossener, radikaler. Besonders in Hessen wurden deshalb die Aktionsformen umgestellt. Weg von Großdemos mit langer Planung, hin zu vielen spontanen Kleinaktionen und Demos. Besonders wurde auf die Blockade von Straßen und Bahnhöfen gezielt.

Die Blockaden ermöglichten mit relativ wenig Aufwand relativ große Medienwirksamkeit. Auch die Bevölkerung konnte man gut erreichen – sie war allerdings nicht immer begeistert. In Frankfurt ging ein Boxer, der in seinem Auto warten musste, auf die Studierenden los und schlug auf sie ein – was er postwendend mit der Demontage seines Autos büßen musste. Meist zeigten die Betroffenen aber Verständnis. Nicht allerdings der Staat. Ein Ziel der Blockaden war auch, durch wirtschaftlichen Schaden größeren Druck auf ihn auszuüben.

Bullen statt Bildung?

Ziel des Staates war es natürlich, das zu verhindern und, vor dem medialen Großereignis WM alles unter Kontrolle zu haben. Die Aktionen wurden folglich von Großeinsätzen der Polizei begleitet. In Hamburg demonstrierten am 31. Mai etwa 800 Studierende gegen Studiengebühren und ähnlich viele Polizisten die Staatsgewalt. Bei einer anschließenden Spontandemo im Hauptbahnhof wurden 70 Menschen – Protestierende und andere – eingekesselt und festgenommen. Um vier Wochen später eine erneute Blockade des Hauptbahnhofes zu verhindern, wurde die Demo zum Beschluss des „Studienfinanzierungsgesetzes“ von 1500 Polizeibeamten und fünf Wasserwerfern begleitet. Die Demo verlief vollkommen friedlich – das Gesetz wurde von der CDU-Mehrheit beschlossen. In Frankfurt wurde eine Party im Studierendenhaus, unter deren Besuchern sich angeblich Menschen befanden, die vorher Scheiben eingeschlagen hatten, von mehreren hundert Polizisten umstellt und gestürmt. Am 6. Juli demonstrierten in Frankfurt tausende für gebührenfreie Bildung und gesicherte Arbeitsverhältnisse. Im Anschluss kam es zu einer Autobahnblockade - 231 Menschen wurden festgenommen, erkennungsdienstlich behandelt und mussten sich zwecks Durchsuchung ausziehen. Die Kosten für die Polizeieinsätze sind enorm – Geld scheint vorhanden zu sein.

Mangelnde Solidarität

Wieder wurden Gebührengesetze verabschiedet, Proteste durch Polizeieinsätze eingedämmt. Sind die „französischen Verhältnisse“ gescheitert? Nein, es gab gar keine „französischen Verhältnisse“! In Frankreich stand der Protest auf einer breiten gesellschaftlichen Basis. Neben den Studierenden beteiligten unter anderem auch Schüler und Gewerkschaften. Aber auch innerhalb dieser Gruppen war die Mobilisierbarkeit wesentlich stärker. Während in Frankreich und Griechenland Millionen auf die Straße gehen, sind es hier gerade einmal 10.000. Bei radikaleren Aktionen wie Blockaden ist die Beteiligung oft so gering, dass es leicht fällt alle Beteiligten festzunehmen. Obwohl bei vielen Umfragen herauskommt, dass ein Großteil der Studierenden Gebühren ablehnt, obwohl sich ein Großteil der Arbeitslosen über Hartz IV aufregt, gehen jeweils nur ein paar Tausend dafür auf die Straße. Jeder ist irgendwie mit sich selbst beschäftigt, muss lernen, arbeiten, Fußball gucken. Die einzelnen Gruppen erklären sich zwar gegenseitig ihre Solidarität, demonstrieren schlussendlich aber doch alleine. In Deutschland scheinen die Menschen die Konkurrenz der Gruppen und Einzelpersonen, die unsere kapitalistische Gesellschaft mit sich bringt, so verinnerlicht zu haben, dass nur noch kurzsichtig an die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse gedacht wird. So wird man im Endeffekt aber nichts erreichen, Plätze an der Sonne sind eben nur für wenige da. Jeder kämpft um so einen Platz – mit geringer Chance auf Erfolg. Um statt dessen gemeinsam für Sonne für alle zu kämpfen, fehlt die Solidarität. Von Frankreich lernen, hieße Solidarität lernen und nicht nur an das eigene Wohlergehen denken.