Menu:

Kategorien


Internationales
BUZe kontrovers
Feuilleton
Studentische Initiativen
Im Gespräch mit...
Politik
Sonstiges
Aus den Fakultäten
Rezensionen
Regionales
Editoriale
Buschlinger ist sauer
Studentenleben
Der Nestbeschmutzer
Kategorie Im Gespräch mit...
Ausgabe SoSe08 - 9
Autor Fabio Reinhardt

"Im Gegensatz zu OB Hoffmann kann ich fast überall arbeiten" - Interview mit Hartmut El Kurdi

Wir freuen uns, dass Hartmut auch in diesem Jahr wieder beim Satirefest dabei sein kann und dass er sich im Anschluss an seine Lesung noch die Zeit für das Interview genommen hat. Obwohl wir natürlich an seinem künstlerischen Schaffen interessiert sind, drängt sich die Frage nach den Ereignissen im letzten Jahr geradezu auf. Da schlug die „Causa El Kurdi“ deutschlandweite Schlagzeilen, als unser OB Hoffmann im Rathaus anordnete, die städtischen Mitarbeiter sollten Veranstaltungen, auf denen er anwesend ist, nicht mehr besuchen. Im Gegenzug bezogen viele Menschen im Land Stellung zu seinen Gunsten, so natürlich auch die BUZe. Zum Bespiel bot ihm der Leiter des städtischen Kulturbüros in Hannover „politisches Asyl“ an. Deshalb fragen wir nach, wie die Geschichte sich weiter entwickelt hat.


Hartmut El Kurdi: Das Angebot war als Solidaritätszeichen durchaus ernst gemeint. Der Leiter des Kulturbüros wollte damit ausdrücken, dass ihn diese Geschichte unglaublich aufgeregt. Und tat dies mit einem augenzwinkernden Touch. Als Zeichen der Solidarität fand ich es tatsächlich sehr aufmunternd und lustig. Die CDU im Stadtrat Hannovers ließ es sich dann allerdings nicht nehmen, eine Anfrage zu stellen, ob der Kulturbüro-Leiter da nicht etwa seine Kompetenzen überschritten habe.


BUZe: Du hast ja nicht nur deinen Wohnort im Östlichen Ringgebiet, sondern bist auch mit dem Herzen Braunschweiger. Hat dich diese Anfeindung von städtischer Seite so sehr getroffen, dass du tatsächlich mit dem Gedanken gespielt hast, den Wohnort zu wechseln?


Hartmut El Kurdi: Ich wohne seit zwölf Jahren in Braunschweig, und ich habe hier auch immer gerne gewohnt. Leider wird es hier aufgrund der Angst, die viele Institutionen vor dem OB haben, technisch immer schwieriger, meiner Arbeit nachzugehen. Hauptberuflich arbeite ich als Autor und Regisseur für Kinder- und Jugendtheater. Früher habe ich auch für das Staatstheater Braunschweig gearbeitet – jetzt nicht mehr. Bezeichnend und peinlich war, dass die Leitung des Staatstheaters im letzten Jahr sehr auffällig geschwiegen hat, als Hoffmann seine alberne Anweisung gegen mich verhängte. Grade in einem Moment, wo ich jede Unterstützung gebraucht hätte. Aber das müssen diese Leute vor sich selbst verantworten.

In der Konsequenz bin ich eben mehr unterwegs und arbeite in anderen Städten, auch an anderen Theatern. Prinzipiell habe ich natürlich schon den Anspruch, mich nicht einfach vertreiben zu lassen. Aber wenn ich meinem Beruf hier de facto nicht mehr nachgehen kann, dann denke ich auch ganz pragmatisch darüber nach, umzuziehen. Momentan habe ich aber diesbezüglich noch keine konkreten Pläne.


BUZe: Könnte man also sagen, dass du es als Aufgabe des Theaters ansiehst, zu provozieren? Ich denke da gerade an den Fall der Berliner Oper, welche das für Januar 2007 geplante Mozartstück „Idomeneo“ in einer Art freiwilliger Selbstzensur absetzte, weil in einer Szene der Kopf des Propheten Mohammed zu sehen gewesen wäre.


Hartmut El Kurdi: Provokation um ihrer selbst willen ist öde. Aber Stadt- und Staatstheater werden subventioniert. Und da stellt sich für mich dann immer die Frage nach der Legitimation. Meiner Ansicht nach erhält ein Theater dieses Geld nicht dafür, dass es sich aus der Politik heraushält, sondern dafür dass es sich einmischt, überwiegend aktuelle Stück spielt und da natürlich auch aneckt. Im Idealfall ist so was dann auch noch unterhaltend. Aber es kann natürlich auch mal ein Stück sein, was nur zehn Zuschauer findet. Das hat ja auch wieder seine Berechtigung, da es ohne Subventionen nicht stattfinden würde.


BUZe: Ähnlich wie mit dem Staatstheater verhält es sich ja mit dir und der Subway. Im letzten Jahr habt ihr euch „einvernehmlich getrennt“. Wie lange hast du für diese Zeitschrift geschrieben?

 Hartmut El Kurdi: Ich habe insgesamt zwölf Jahre für die Subway geschrieben, also seit ich in Braunschweig wohne. Ich habe vorher für das Hildesheimer Stadtmagazin Public geschrieben, und als ich nach Braunschweig zog, haben das die Leute von der Subway, die meine Hildesheimer Kolumne kannten – die ich übrigens auch heute noch schreibe – mitbekommen. Die haben mich dann eben angesprochen. Und die Zusammenarbeit klappte auch sehr gut über all die Jahre. Aber als im letzten Jahr ohne mein Wissen einer meiner Artikel geändert wurde, habe ich mit der zuständigen Person geredet. Als dann klar wurde, dass ich dort nicht mehr gemäß meinen Vorstellungen schreiben kann, nämlich unzensiert, habe ich gesagt, dass eine Fortsetzung der Zusammenarbeit unter diesem Voraussetzungen keinen Sinn mehr hat.

Auf der anderen Seite gibt es aber lobenswerterweise immer noch einige wenige Institutionen in Braunschweig, wie zum Beispiel die Brunsviga, die Jugendbuchwoche oder Buchhandlungen wie Graff oder der Bücherwurm, die ihre Kooperationspartner unabhängig auswählen und sich in ihre Angelegenheiten nicht hineinreden lassen. Dort kann ich immer noch auftreten. Davon alleine kann man nicht leben, aber glücklicherweise hat sich parallel zu dieser negativen Geschichte in Braunschweig meine Karriere andernorts sehr gut entwickelt. Vor allem, was die Kinderstücke und Kinderhörspiele betrifft. Wäre das nicht der Fall, hätte ich ein großes finanzielles Problem.


BUZe: Nur bist du eben mehr unterwegs.


Hartmut El Kurdi: Damit muss man in diesem Beruf aber rechnen. Und – vielleicht ist das Galgenhumor – ich sag mir dann immer: Das Gute ist ja auch, dass ich frei bin darin, wo ich mir mein Geld verdiene. Im Gegensatz zu Hoffmann, dem seine NPD-Vergangenheit wie ein Klotz am Bein hängt und dessen Karriere deswegen auf Braunschweig begrenzt ist. Dass er nicht überall was werden kann, hat er ja früher schon erlebt. Als er zum Beispiel vor vielen Jahren versuchte, in Hildesheim Oberstadtdirektor zu werden, wurde er vorher noch von Gegnern in seiner eigenen Partei abgeschossen, indem seine Vergangenheit in einem Zeitungsartikel lanciert wurde. In Braunschweig hat es dann aber geklappt – hier sieht man solche Sachen anscheinend weniger als problematisch an. Trotzdem ist es etwas seltsam, dass er sich anscheinend nicht darüber bewusst ist, dass eine Person, die so stark polarisiert wie er, auch damit rechnen muss, angegriffen zu werden. Eigentlich müsste er das einfach an sich abperlen lassen.


BUZe: Ehrt es dich denn in gewisser Weise, dass ihm ein gelassener Umgang mit Kritik gerade bei dir anscheinend nicht erfolgreich gelingt?


Hartmut El Kurdi: Ach, Ehre ist was anderes. Dass er nicht cool bleiben kann, zeigt einfach nur, dass er tatsächlich, wie ich mal schrieb, ein „kritikallergischer Charakter“ ist. Für ihn ist wohl das Schlimmste, dass er keinen Zugriff auf mich hat. Bei Leuten, die direkt oder über drei Ecken für die Stadt arbeiten, kann er ja konkret den Hahn zudrehen; bei mir ist das schwieriger. Normalerweise geht er auch wesentlich raffinierter vor, aber in meinem Fall war er offensichtlich so wütend, dass er plötzlich sehr plump wurde. Mit dieser Anweisung gegen mich hat er sich selbst auch enorm geschadet. Aber anstatt wenigstens minimal zurückzurudern, wurde dann abgestritten, dass es die Anweisung überhaupt gegeben habe. Dabei liegt die Bestätigung der Anweisung schriftlich vor. Da leben gewisse Menschen anscheinend in großzügig eingerichteten Paralleluniversen, zu denen wir Anderen keinen Zutritt haben....

Ich habe aber eigentlich gar keine Lust, mich als Opfer darzustellen oder mich darüber noch weiter aufzuregen. Die Leute, die dies machen, wissen schon genau, was sie da tun. Und auch die, die kuschen und den Mund halten. Das hat leider alles nichts mehr mit Demokratie zu tun. Aber das ist deren Problem. Was ich davon halte, habe ich denen auch gesagt.


BUZe: Und das tust du ja auch auf der Bühne. Vom Publikum wird dies üblicherweise auch wie am heutigen Abend mit Applaus honoriert.


Hartmut El Kurdi: Die Leute klatschen aber nicht nur, weil sie sich für die Ausübung meiner künstlerischen Freiheit einsetzen, sondern weil sie sich eben auch selbst über die Sachen aufregen, die in dieser Stadt so vor sich gehen. Das Problem ist, dass die meisten sich nicht äußern können, weil die Möglichkeiten öffentlich etwas zu sagen doch sehr beschränkt sind. Bei der letzten Wahl ist Hoffmann zwar in der Direktwahl relativ erfolgreich gewesen, aber es gab auch eine enorme Gegenbewegung, die jedoch öffentlich und medial kaum vorkam. Und die regen sich nicht nur über Hoffmanns Politik-Inhalte auf, sondern vor allem auch über seinen rücksichtslosen, autoritären Politikstil. Letztlich entscheidet hier doch nur noch ein Mann und zieht die Nummer dann durch. Koste es was es wolle. Hoffman ist natürlich formal demokratisch legitimiert, aber das heißt nicht, dass man sich alles erlauben darf. Es ist schon grotesk, dass jemand, der keinerlei politische Manieren hat, anderen vorwirft , sie griffen ihn „unter der Gürtellinie“ an.


BUZe: Was sagst du zu Hoffmanns Plänen für einen wirtschaftlichen „Großraum Braunschweig“?


Hartmut El Kurdi: Das ist typisch. Hoffmann ist ein Mann mit großen Ambitionen. Aber es ist ganz klar, dass seine Karriere in Braunschweig beendet ist. Durch seine Vergangenheit und seinen aktuellen Politikstil wird er niemals in die Landesregierung kommen oder einen höheren Posten erhalten. Daher versucht er jetzt, seinen Einflussbereich aus Braunschweig in die Region auszudehnen. Im Grunde versucht da jemand, sein Herzogtum auszuweiten. So schlicht kann man das ausdrücken. Ich glaube aber, dass die anderen Bürgermeister in unserer Region, auch die aus seiner eigenen Partei, das schon durchschauen und er mit diesem Plan nicht durchkommen wird.

Ende des ersten Teils.

Im zweiten Teil des Interviews erzählt Hartmut noch etwas über seine aktuellen Projekte und lüftet das große Rätsel um den Namen seines Gartenzwerges.