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Kategorie Feuilleton
Ausgabe WS0708 - 7
Autor Marc Chmielewski

„Ick hab nun mal diese Schnauze“

Sylvia Hoppe ist ein Original. Wer sie hinter ihrem Cafeteria-Tresen in der Katharinenstraße zum ersten Mal sieht, macht sich keinen Begriff davon, wie markerschütternd laut die Stimme dieser zierlichen 48-Jährigen donnern kann. Anfänger, die zu lange in ihrer Cafeteria sitzen, träumen nachts von Mozzarella-Sticks und Currywürsten. Viele finden Sylvia Hoppe ruppig. Dabei will sie doch nur Harmonie und gegenseitigen Respekt. Die BUZe klärt dieses Missverständnis nun endlich mal auf.

„Einmal die Mozzarella-Sticks mit Salat!“ Wer stand nicht schon einmal am Tresen, bekam diese Worte ins Gesicht gebrüllt und hat sich gefragt: Muss das denn sein? Gut, es geht hier um frittierte Käsestäbchen, nicht um einen Morgenappell, aber sonst ist eigentlich alles wie auf dem Kasernenhof. So reden Böswillige und Ahnungslose.

Wer Sylvia Hoppe nur flüchtig erlebt, könnte sie verkennen. Könnte mosern über barsche Zurechtweisungen. Über willkürlich festgelegte Kaffeepreise und pedantische Abfallregeln. Oder einfach über das Organ von Sylvia Hoppe. So wie die Studentin, die sich per E-Mail beim Studentenwerk beschwerte: So laut wie die Cafeteria-Chefin verkünde, dass Salat oder Würste fertig angerichtet und abholbereit sind, sei das eine Zumutung. Es wurde eine Lautsprecheranlage installiert, die es der Chefin erlaubt, mit Engelszunge in ein Mikro zu säuseln und trotzdem von allen verstanden zu werden. Aber so richtig anfreunden kann sie sich nicht damit: „Ditt ist so unpersönlich. Ick ruf eigentlich lieber.“ Denn der persönliche Kontakt ist ihr wichtig. Sie liebt ein Schwätzchen, wenn es ihre Zeit zulässt, und am liebsten wäre es ihr, wenn alle sich an die Ordnung hielten und sie darauf verzichten könnte, Sündern den Kopf zurechtzurücken. Aber manchmal geht es eben nicht anders. Da sind diese Studenten, die meinen, sie könnten einfach die Stühle aus dem Saal ins Freie zerren, wenn es ihnen passt. Die glauben, sie kämen damit durch, sich zwei kleine Kaffees einzuschenken und nur einen großen zu bezahlen. Oder die ihren kleinen Kaffee bis zum Rand mit Milch auffüllen und dann schimpfen, wenn Sylvia Hoppe sagt: „Also, ditte muss ick jetze als Milchkaffee berechnen.“ Bei Ersttätern ist sie nachsichtig, versucht es im Guten. Vor allem Studienanfänger wissen es ja nun einmal nicht besser, obwohl sie es könnten, würden sie nur all die Hinweisschilder beachten, die Sylvia Hoppe rund um ihren Tresen hat anbringen lassen. Wer es allerdings nach der ersten Ermahnung immer noch wagt, einfach Stühle aus dem Saal auf die Terrasse zu stellen („Die gehen doch auseinander, wenn’s regnet!“), der sollte sich warm anziehen.

Wer Sylvia Hoppe vorwirft, sie sei grundlos unwirsch, gewissermaßen von Natur aus, der tut ihr Unrecht. Denn sie meckert ja nicht, weil ihr das Spaß macht. Eigentlich will sie nur, dass sich alle gut verstehen. Und dazu gehört es nun einmal, dass die Leute nach dem Essen ihre Tabletts ordnungsgemäß in den eigens bereitgestellten Rollwagen schieben. „Wenn icke hier am Tisch sitze, will ich doch auch nicht, dass alles versifft ist“, sagt die Chefin: „Da fühlt sich doch keiner wohl!“ Achtlos auf den Tischen zurückgelassene Schokoriegelpapiere und öltriefende Salatteller sind also eine Respektlosigkeit gegenüber anderen Besuchern, wenn man es genau nimmt. Und als Herrin einer kaum zehn Quadratmeter großen Küche, die zu Stoßzeiten bis zu 200 Mahlzeiten ausgeben muss, nimmt es Sylvia Hoppe sehr genau.

Logistisch ist der Cafeteria-Betrieb eine Herausforderung. Nicht nur die Küche, sondern vor allem die Spülmaschine ist viel zu klein. Mittags staut sich die Schlange der Wartenden oft bis in den Hauptraum der Mensa. Sylvia Hoppes eigentlicher Beruf ist Agrotechnikerin/Mechanisatorin. So hießen in der DDR technisch versierte Landwirte, die nicht nur düngten, pflanzten und ernteten, sondern auch den Mähdrescher reparieren konnten. Auch in ihrer Cafeteria ist sie für alles zuständig. Sie hat keine Zeit, ihren Pappenheimern auf Schritt und Tritt hinterher zu wischen: „Dafür werde ick nicht bezahlt. Das darf ick eigentlich gar nicht.“ Denn wer soll denn über die Mozzarella-Sticks in der Friteuse wachen, wer die lange Schlange der Kaffeetrinker bedienen, wenn Nachlässige die Chefin zur Müllsammelei zwingen? „So müssen Sie das auch mal sehen“, sagt sie nachdenklich und zieht an ihrer Zigarette. Dass Raucher nun unter eigens installierten Cola-Schirmen vorm Regen geschützt werden, ist auch so eine Sache, für die sich Sylvia Hoppe eingesetzt hat.

„Ick mag doch alle Studenten“, sagt sie versöhnlich, nur diese Müllverstöße müssten doch wirklich nicht sein: „Für ein zufriedenes Miteinander zu sorgen, ditt ist meine Mission.“ Und wer sich nicht an die Regeln hält, steht da eben im Weg. Ob sie manchmal zu streng sei? Sylvia Hoppe lacht: „Ick hab nun mal diese Schnauze. Ick sach immer: Wer nicht mit mir auskommt, ist selber schuld!“ Da hat sie nun auch wieder Recht: Ein wenig auf den Müll und auf die Hinweisschilder achten – war ein bisschen Frieden je günstiger zu haben?

Marc Chmielewski, Katharina Wendt